Genuss, Stil

So werden Sie zu einem guten Gastgeber

Goethe beherrschte die Kunst der Gastfreundschaft, die Preußenkönige waren dagegen miserable Gastgeber. Um Gäste bei Laune zu halten, braucht es mehr als nur Delikatessen. Überraschungen sind genauso wichtig wie ein bisschen Rausch, erzählt der Gastronomiekritiker Erwin Seitz.

Herr Seitz, die Preußenkönige galten als sparsam. Keine gute Voraussetzung, um ein guter Gastgeber zu sein, oder?
Ja. Es fing damit an, dass der geizige Soldatenkönig Friedrich Wilhelm I. den Berliner Hof abschaffte und damit das Ende der Gastlichkeit in Preußen einläutete. Jede Form von höfischem Luxus war verpönt, das Geld wurde dagegen für die Aufrüstung der Armee ausgegeben. Hofbäcker und -köche, Musiker, sämtliche Juweliere wurden entlassen, das Kunsthandwerk in Berlin ging pleite. Auch bei seinem Sohn Friedrich dem Großen blieb der Hof abgeschafft. In Schloss Sansoucis hielt er zwar große Diners ab, doch es waren reine Männerrunden.

Wilhelm II., der letzte Preußenkönig, hat zwar mehr für Essen und Trinken ausgegeben, aber alle Festdiners folgten einer strengen, militärisch anmutenden Ordnung. Keiner am Hofe konnte das Essen wirklich genießen, weil in einer Stunde sieben Gänge zu bewältigen waren. Wenn man neben dem Kaiser saß und ihn unterhalten musste, kam man gar nicht zum Essen. Preußisches Zack-Zack, Funktionalität, Fitness stand über allem. Hauptsache die äußeren Formen von Luxus waren zu sehen, das genügte dem Kaiser. Letztendlich hatte er keinen Sinn für Genuss. Alfred Walderspiel, der berühmteste deutsche Koch der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts, schrieb in seinen Memoiren über die Tafelsitten des Kaisers: „Die Schnellesserei war eine Barbarei…“

Das Porträt Friedrichs des Großen von Andy Warhol aus dem Besitz von Günther Jauch im Salon "Alter Fritz" der Villa Kellermann in Potsdam.
Das Porträt Friedrichs des Großen von Andy Warhol aus dem Besitz von Günther Jauch im Salon „Alter Fritz“ der Villa Kellermann in Potsdam.

Goethe aß mit Herzenslust

Was machte Johann Wolfgang von Goethe zu einem guten Gastgeber?
Am herzoglichen Hof in Weimar wurden die Gäste noch nach ihrem höfischen Rang gesetzt. Goethe hat die Menschen dagegen so platziert, dass sie sich gut unterhalten konnten. Er lud sogar manchmal Hungerleider ein, zum Beispiel einen armen Runenforscher, den er originell fand. Der schlürfte einen Teller mit Gurken ganz ungeniert am Tisch aus. Jeder Gast mit seinen Eigenheiten war willkommen. Man musste keinen hohen Rang haben, sondern auf irgendeine Weise unterhaltsam sein. Goethe führt zudem den Service à la russe ein, was wir heute als à la Carte kennen. Die Schüsseln mit Fleisch und Gemüse wurden nicht mehr wie beim französischen Service in die Mitte gestellt, sondern Kellner brachten die einzelnen Gänge zum Gast. Zur Deko stellte er Blumenvasen mit seltenen Gewächsen auf den Tisch, um für zwanglose Gespräche zu sorgen. Das war bis dahin völlig unüblich.

Ein Früchtestillleben mit Wildbret aus dem 17. Jahrhundert.
Ein Früchtestillleben mit Wildbret aus dem 17. Jahrhundert.

Auch was das Essen angeht, war Goethe ein moderner Gastgeber. Da er einen eigenen Garten hatte, gab es schon viel Salat und Gemüse. Der Hofkoch brachte ihm russischen Kaviar, Straßburger Pastete mit Gänsestopfleber und Trüffel oder frische Austern aus England mit. Goethe war mit dem Feinsten versorgt, was die europäische Küche bot und er gönnte es auch seinen Gästen. Er war ein Lebemann, neugierig und genießend. Seine Maxime war: Wer sich immer fest im Griff hat, dem droht das Leben verloren zugehen. Gäste berichten, dass Goethe oft nach Herzenslust aus den Schüsseln nachfasste und gern einen tüchtigen Schluck aus der Pulle nahm.

Wer ist der perfekte Gast: Hillary Clinton, Elton John oder Rihanna?
Wer ist Rihanna? Ich würde Elton John, also einen Engländer, wählen. Er wirkt auf mich wie ein Gentleman. Hillary Clinton ist eine geschäftige Amerikanerin, ich wüsste nicht, ob sie entspannt sein könnte an einem festlichen Abend unter Freunden. Die Briten vereinen ja eine perfekte Mischung aus bürgerlicher und höfischer Kultur in sich, die typisch für Europa ist. Die Feinheit im Umgang haben sie über Jahrhunderte trainiert. Die Amerikaner sind an sich freundlich, aber etwas formel- und floskelnhaft, abgesehen von ein paar elitären Familien fehlt es in der Breite an Finesse.

Gedeckter Tisch für ein Galadinner auf der Brafa in Brüssel.
Gedeckter Tisch für ein Galadinner auf der Brafa in Brüssel.

So gelingt eine gute Sitzordnung

Wie gelingt eine sinnvolle Sitzordnung? Wie viele Personen?
Ideal ist es, wenn die Geschlechter gemischt sind: Eine Dame, ein Herr, eine Dame, ein Herr. Das hat etwas Elegantes und Charmantes. Man benimmt sich anders, wenn Frauen und Männer am Tisch sitzen, man ist netter und freundlicher zueinander. Wenn man Glück hat, sind die Herren charmant und galant und die Damen liebreizend. Das war schon das perfekte Rezept im Rokoko. Perfekt sind sechs Personen. Eine Besetzung mit vier Personen wirkt fast schon zu intim, bei einer Runde mit acht Gästen bricht die Gruppe leicht in zwei Blöcke auseinander. Bei sechs Personen entsteht im Idealfall ein Gespräch, an dem alle teilnehmen.

Paare auseinander setzen oder zusammen?
Früher umsorgte die Hausfrau den Mann zu Hause, man sah sich jeden Tag. Da machte es Sinn, die Eheleute beim Essen mit Freunden auseinander zu setzen. Heute stehen ja beide Ehepartner im Berufsleben und sind froh, wenn sie einen festlichen Abend gemeinsam verbringen können. Hauptsache, die Leute sitzen so, dass sie vom Temperament her zusammenpassen und Lust am Gespräch haben.

Altes Geschirr und moderne Lampe vor Kamin: Flackerndes Feuer sorgt für eine gemütliche Atmosphäre.
Altes Geschirr und moderne Lampe vor Kamin: Flackerndes Feuer sorgt für eine gemütliche Atmosphäre.

So kann man die Gäste bei Laune halten

Idealfall: Samstag Abend, ein festliches Essen mit Freunden. Wie würden Sie den Tisch decken?
Selbst in Sternelokalen ist es mittlerweile Mode, auf blanken Eichenholztischen zu speisen. Das sieht schön aus, aber am Abend geht nichts über ein glänzendes weißes Damasttuch. Ich würde den Tisch eher etwas karg eindecken, nicht überladen, durchaus mit schönem Porzellan, jedem nur einen Teller, Messer und Gabel und Stoffservietten, die nur einmal umgelegt werden. Kein umständliches Falten, kein Etepetete. Die Tischdekoration sollte locker und einfach sein, damit sich der Abend noch steigern kann.

Wichtig sind niedrige Blumenvasen und Kerzen, damit man jedem gut in die Augen schauen und etwas schäkern kann. Minenspiel ist viel wichtiger als dekorativer Tamtam. Aber wer ein schönes Salzfass, eine Art-Déco-Vase oder wertvolle Tierfiguren aus der Erbschaft besitzt, kann diese auch gerne zeigen. Das flackernde Feuer der Kerzenflamme darf nicht fehlen. Der Mensch sitzt schon seit zwei Millionen Jahren ums Feuer herum, da brauch man nichts Neues zu erfinden. Archaische Urelemente des Gastmahls würde ich heute immer verwenden. Manche haben das Glück, auch noch einen offenen Kamin zu haben.

Und was würden Sie auf den Tisch stellen, um die Gäste bei Laune zu halten?
Ich würde immer Brot, Butter und Olivenöl auf den Tisch stellen, egal was Low-Carb-Fanatiker sagen. Brot ist ein Symbol zehntausendjähriger westlicher Kultur, gemeinsam Brot zu brechen hat Tradition. Man kann ruhig zum besten Bäcker der Stadt gehen und ein ordentliches Weizenbrot mit feiner Kruste kaufen.

Und später am Abend auch Drogen auf den Tisch?
Da würde ich über die klassischen Drogen des Galadinners nicht hinausgehen. Also Alkohol, eine Zigarre am Ende des Abends, Espresso nach dem Essen, dazu ein Praliné. Vom Wein vielleicht später zum Cognac übergehen.

Ein gutes Menu ist wie ein kleines Theaterstück

Wie kann man mit einem Menü Eindruck machen?
Bei der klassischen Dramaturgie eines Essens geht es wie in einem Theaterstück zu. Den Auftakt macht etwas Leichtes, Feines, Helles wie Fisch, dann gibt es eine Steigerung mit dunklem Fleisch, einer dunklen Sauce und Rotwein. Danach folgt Käse als Zwischengang. Der Ausklang und zugleich Höhepunkt ist etwas Süßes.

Eine Delikatesse unter den Fischen: Steinbutt.
Eine Delikatesse unter den Fischen: Steinbutt.

Welche Delikatessen können für Überraschungen sorgen?
Heimische Süßwasserfische wie der feine Flussbarsch, von dem schon der römische Dichter Ausonius schwärmte. Seesaibling und Bachsaibling sind sehr fein. Der Saibling hat übrigens einen der feinsten Kaviar, den es überhaupt gibt. Er sieht golden aus. Ich würde ein Saiblingsfilet im Ofen bei 180 Grad sechs bis acht Minuten garen, darüber in Butter gebräunte Mandeln und als Bekrönung den goldenen Kaviar geben. Auf ein gutes Entrecote (nur von der Färse oder vom Ochsen) würde ich etwas Räuchersalz streuen. Der Mensch war zwei Millionen Jahre ein Spießbrater, das Urtümliche des Fleischbratens im Feuerrauch erzeugt man mit diesem kleinen Trick. Kabeljau würde ich mit Algensalz würzen, das betont den Meergeschmack auf besondere Weise.

Pompös wie Buffet, privilegiert wie Service

Buffet, Schüsseln auf den Tisch oder gesetztes Essen, bei dem serviert wird?
Buffet hat etwas Praktisches, manchmal auch etwas Pompöses an sich. Nichts geht aber über die Tischrunde, bei der Essen und Trinken serviert werden. Service ist eine Form von Schauspiel. Man fühlt sich für Stunden wunderbar privilegiert. Die Sitte, die Schüsseln auf dem Tisch zu stellen, nannte man früher „Service à la française“. Jeder Gast nimmt sich, soviel er will, oder reicht dem Nachbarn die Schüssel, die dieser wünscht. Es herrscht dadurch leicht Unruhe am Tisch und das Essen wird schnell kalt. Das Feinste ist das gesetzte Essen beziehungsweise der Tellerservice, traditionell der „Service à la russe“. Das Essen wird heiß vor den Gast hingestellt; er kann sich gleich dem Verkosten und Verspeisen widmen und sich nach und nach köstlich dabei unterhalten. Zudem kann der Koch bei solchem Service seine Anrichtekunst auf dem Teller zeigen.

Taube, Rosenkohl, Kartoffelgratin: Ein Buffet hat auch etwas Pompöses an sich.
Taube, Rosenkohl, Kartoffelgratin: Ein Buffet hat auch etwas Pompöses an sich.

Gibt es Essen, das tabu ist?
Für mich persönlich gibt es keine Tabus. Ich bin neugierig auf alles, was essbar und nicht giftig ist. Man sollte den Gast ruhig mit dem einen oder anderem überraschen. Allerdings wäre ich nicht unbedingt auf Schlangenfleisch erpicht. Das hat in Europa keine Tradition. Der Gastgeber sollte nicht zu Gewagtes servieren, es sei denn, er hat es vorher mit seinen Gästen vereinbart. Der einzelne Gast darf sich keinesfalls durch zu viele Extravaganzen brüskiert fühlen. Und wenn jemand unter den Gästen ist, der sich vor dem Abend schon als Vegetarier zu erkennen gab, dann sollte sich der Gastgeber zu behelfen wissen und Rücksicht darauf nehmen. Wichtig ist, dass sich die Gäste wohlfühlen.

Und was ist mit Knoblauch?
Ich koche sehr gern mit Knoblauch. Auch mit höherem Quantum. Ich verwende aber immer nur ganz rohen Knoblauch, ich schäle ihn, presse ihn durch die Knoblauchpresse, damit die ätherischen Öle richtig entströmen, dann kann man jeden Gast individuell fragen, ob er über sein Gericht ein paar Spritzer möchte. Knoblauch hat einen warmen Ton, er gibt jedem Essen Kraft und Fülle.

Frauenhände mit rotem Hummer
Frauenhände mit rotem Hummer

Selber kochen oder kochen lassen?
Selbst kochen ist natürlich das Feinste. Es wirkt originell und unterstreicht das Moment des Besonderen und Fürsorglichen; aber es spricht nichts dagegen, auch einmal einen Cateringservice mit Koch anzustellen, sofern man sich das leisten kann und selbst keine Zeit oder kein Talent hat, für alles zu sorgen. Bevor man aus bestimmten Gründen ganz auf Gastlichkeit bei sich zu Hause verzichtet, sollte man flexibel sein. Gastlichkeit besteht ja aus mehreren Elementen: Raum und Einrichtung; Service und Gespräch; Essen und Trinken. Für jenen Gastgeber, der für den Abend einen Koch engagiert, bliebe selbst immer noch genügend Spielraum, um sich als guter Gastgeber zu zeigen – indem er sich eben als Charmeur und Connaisseur gibt, die Gäste mit heiterer Mine empfängt, ein glänzender Unterhalter ist und ausgezeichneten Wein einschenkt.

Rausch gehört zur Gastlichkeit dazu

Gehört Rausch zu einem guten Gastmahl dazu?
Bei allen Formen von Gastlichkeit geht es um die Verwandlung von Gastgeber und Gästen. Es ist nicht so leicht, aus dem Alltagstrott herauszukommen, manchmal braucht man ein paar Tricks dazu. Alkohol löst den Geist und die strenge Selbstkontrolle der Fitness- und Businesswelt. Man wird ein bisschen leichtsinniger. Und erzählt interessante, witzige Geschichten, die man unter nüchternen Umständen kaum preisgegeben hätte. Noch unbekannte Gesichtszüge kommen zum Vorschein. Goethe soll getrunken haben „wie ein Alter“, wie die alten Germanen. Er soll aber nie ausfällig geworden sein. Es wird beschrieben, dass er gesprächiger und geistreicher wurde, je mehr er trank. Durch Rausch entsteht eine Art Heiterkeit, die man nüchtern so nicht hinbekommt.

Champagner und Whiskey auf einer Anrichte.
Den Rausch kann man nie ganz in den Griff bekommen: Champagner und Whiskey auf einer Anrichte.

Darf der Gastgeber betrunkener sein als seine Gäste?
Auch der Gastgeber soll selbstverständlich den Wein genießen. Auch er darf und soll im Laufe der Abends lustiger und freimütiger werden. Aber es wäre schon ratsam, dass er seine Grenzen einigermaßen kennt und nicht völlig die Kontrolle über sich verliert. Wenn es irgendwie geht, sollte er selbst Maître de Plaisir bleiben.

Aber wie weit darf der Rausch gehen? (Wie kann man den Rausch kontrollieren?)
Am Ende kann man das nicht ganz in den Griff bekommen. Das ist wie in der Liebe. Es ist immer ein Risiko dabei, auf das man sich einlässt.

Wann ist ein Kellner wirklich gut?
Kellner ist Service und Service hat etwas mit Benehmen zu tun. Es ist vielmehr als Tischdecken und Weineinschenken. Der Kellner begrüßt den Gast zuerst mit einem freundlichen Blick in die Augen. Er ist bester Laune und gibt dem eintretenden Gast das Gefühl, willkommen zu sein. So wie schon der Mönche Benedikt von Nursia in seinen Ordensregeln über die Gastlichkeit schrieb: man solle dem Gast „voll dienstbereiter Liebe entgegeneilen“. Gemeint war natürlich die christliche Liebe.

Kerzenhalter in Penisform.
Kerzenhalter in Penisform.

Darf man mit dem Kellner Sex haben?
Es gibt die schöne Bemerkung von Antonio de Beatis, dem Sekretär des italienischen Kardinals Luigi d´Aragona, der in seinem Reisetagebuch von 1517 über die Kellnerinnen in deutschen Gasthäusern schrieb: „Sie lassen sich zwar nicht küssen, wie die französischen Kammermädchen, wohl aber um den Leib fassen und drücken, oft auch gern zum Mittrinken einladen.“ Im übertragenen Sinne wollte der Sekretär sagen: es war kein steifer Service. Es ist bestimmt nicht die Pflicht des Kellners, auf die Avancen des Gastes einzugehen. Aber zu fortgeschrittener Stunde und unter gegenseitigem Einvernehmen können beide natürlich machen, wozu sie Lust haben.

Die Bedeutung von Licht und guter Stimmung

Beleuchtung: Bei Gästen über 40 Jahren nur Kerzenlicht?
Wenn der Koch großartig aufkocht, dann spielt er auch mit Farben. Bei schummrigen Licht könnte man das gar nicht goutieren. Man muss ja nicht gleich auf die Falten achten, man kann ja auch auf die Brillanten oder auf das schöne seidene Kleid schauen. Nach dem Essen kann man das Licht dimmen und Kerzen anmachen.

Welche Gesprächsthemen funktionieren immer und überall?
Heitere musische Themen wie Goethe sie bevorzugte. Kunst, der letzte Kinobesuch, die letzte Reise oder Lektüre. Der Gastgeber sollte darauf achten, dass sich die Runde nicht in zu ernste Themen (Flüchtlingskrise, Krankheiten, Krieg) verbeißt. Denn todernste Streitereien verderben die Stimmung.

Musik: ja oder nein?
Tafelmusik hat seit Tausenden von Jahren immer dazu gehört. Doch solange man am Tisch sitzt, ist das Essen und Gespräch das höchste, was man wahrnimmt. Es wäre verlorene Liebesmüh, daneben noch gute Musik hören zu wollen. Das wäre Überkonsum. Nach dem Essen kann man ja Musik spielen. Wenn ein Sopran oder Bassist unter den Gästen ist, kann der ein Lied von Schubert singen, oder es steht ein Flügel im Salon und jemand spielt ein Stück darauf. Live ist dann immer noch das Höchste, alles muss echt sein, analog. Das Galadinner ist das Gegenteil von digitaler Welt, Stress, Zwängen. Das ist Freisein von Sorgen, Sanssoucis eben.

Wie sieht ein gutes Gastgeschenk aus?
Klein, dezent und ausgewählt, ein Büchlein, eine CD oder der Dame des Hauses einen Blumenstrauß mitnehmen. Geschirr aus dem Urlaub, eine kleine Keramik, über die man zugleich ein kleines Gespräch beginnen kann. Jedoch kein allzu großes Geschenk, dass den Gasteber dann verpflichtet, beim nächsten Mal auch ein großes Geschenk mitzubringen.

Rot in Rot: Farblich passende Kleidung zur Rosen-Dekoration der Tafel.
Rot in Rot: Farblich passende Kleidung zur Rosen-Dekoration der Tafel.

Warum man sich an den Dresscode halten sollte

Was macht einen guten Dresscode aus und muss ich mich an ihn halten?
Nicht nur ein gutes Essen steigert den Abend, auch glamouröse Kleidung erhöht die Freude an einem festlichen Treffen. Als ich in Oxford studierte, fanden regelmäßig „Black Tie“-Galaessen am College statt. Zurück in Deutschland veranstaltete ich als Student auch Essen für Freunde und wollte, dass sie sich herausputzten. Ich schrieb „Bow Tie“ auf die Einladungskarte, das hieß dann dunkler Anzug und Schleife, die auch bunt sein konnte. Das war ein eleganter, aber nicht zu strenger Dresscode. Man könnte auch schreiben: Das Eleganteste, was ihr euch gerade anziehen möchtet. Man sollte sich auf ein Spiel einlassen. Wenn es heißt „Elegante Abendkleidung“, sollte man sich daran halten, um zu zeigen: man ist bereit zum Spiel. Man kommt nicht nur als Konsument, sondern trägt das seine zum Gelingen des Abends bei.

Schöner Strauß und Oktopus: Das Auge isst mit.
Schöner Strauß und Oktopus: Das Auge isst mit.

Erwin Seitz ist Autor des Buches Kunst der Gastlichkeit22 Anregungen aus der deutschen Geschichte und Gegenwart. Das Interview führte Claudia Scholz.

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Schwarzer Winter – mit Augustin Teboul

Androgyne Königinnen des Noir

Jede Menge schwarz gekleidete Menschen fanden sich zur Show des deutsch-französischen Labels „Augustin Teboul“ im Kronprinzenpalais Unter den Linden ein. Die Designerinnen Annelie Augustin und Odély Teboul zeigten mit ihrer Herbst-/Winterkollektion 2015/1, wie tough und geheimnisvoll Gehäkeltes und Patchwork  aussehen können. Die Models, deren androgyner Look noch durch die strengen Chignons unterstrichen wurde, trugen schwarze Kleider aus matten und glänzenden Lederstücken, surreal gehäkelte Oberteile, raffinierte Netzstrümpfe und super enge Lederleggins.

Besonderer Hingucker war das ältere Model Jutta von Brunkau, die androgyne Lederlooks präsentierte. Nicht nur die Designerinnen von „Augustin Teboul“ haben Gefallen an reiferen Models gefunden. Kürzlich sah man Literaturikone Joan Didion in der neuen Céline-Kampagne, Iris Apfel im neuen Alexis Bittar-Look und Anna von Rüden als „Gesicht“ des Bikini Berlin.

augustin teboul jutta von brunkau

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Meinen Bart kann mir niemand nehmen.

Warum die Männerbärte noch voller werden, aber keinesfalls abrasiert.

Noch nie haben sich die Medien so sehr auf das Thema Männerfrisuren gestürzt wie man es zurzeit beobachten kann. Alle fragen sich, wie es mit dem Bart 2015 weiter geht, als ob davon alles weitere abhängen würde. Auch wenn das bärtige Hipstertum viele schon nervt (siehe das Trendbarometer auf Spiegel Online) und Kai Diekmann sich kurzzeitig von seinem Bart verabschiedet hatte: Üppige Bärte werden auch 2015 definitiv zum Berliner Stadtbild gehören. Das haben auch die Stilkritiker vom Zeit Magazin erkannt. Und die Bärte werden womöglich noch voller werden. Selbst Kai Diekmann, der schon ganz euphorisch von Trendbloggern als erstes prominentes Beispiel für die Abkehr vom Vollbart und damit vom Hipsterstatus als solchem gefeiert wurde, soll das Haar schon wieder eifrig wachsen lassen.

Irgendwie kann man es auch nachvollziehen, dass der Holzfäller-Look nicht von heut auf morgen verschwinden wird. Er wird vielmehr Normalität werden, vielleicht langweilig, aber die ganzen Jung-Propheten und stylischen Naturburschen werden vorerst nicht verschwinden. Die wenigsten Männer, die es einmal zu einer richtig voluminösen Bartfrisur gebracht haben, werden sich davon auch wieder trennen. Der Grund ist ganz einfach: Warum sollten sie ihre mit viel Mühe gepflegte Männlichkeit, in die sie teure Schönheitsprodukte investiert haben, eintauschen gegen das Jungengesicht, das sie selbst schon verdrängt haben.

Bei Frauen kennt man ein ähnliches Phänomen: die trennen sich ja auch nicht so einfach von ihrem langen Haar, das sie in jahrelanger Arbeit wachsen ließen. Außer sie machen gerade eine Krise oder Trennung durch. Genauso geht es den Männern mit Vollbart auch. Da muss schon ein richtig tolles Mädchen kommen, in das sie sich verlieben und das keine Barthaare beim Küssen in den Mund bekommen möchte.

 http://www.spiegel.de/stil/pressekompass-zum-vollbart-a-1008334.html

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Die Wildnis ist, wo Du bist.

Alle lieben den Parka. Das war schon 1968 so. Was einst jedoch Linken-Demo-Schlabberlook war, ist heute Lieblingsjacke der Großstadt-Hipster. Und auch der schwarze Afghan fehlt.

Letztens war ich im Crackers in der Friedrichstraße essen. Verblüfft stellte ich fest, dass viele der hippen, jungen Gäste ihre Jacke sogar am Tisch noch anhatten. Und es war eine ganz bestimmte Jacke. Wo man auch hinblickte, überall grüne Parkas mit üppigem Fellkranz an der Kapuze. In Berlin, wo immer seltener zwischen feinen Anlässen und Freizeit bei der Kleiderwahl unterschieden wird, ist der Parka auch praktisch überall anzutreffen: bei der Vernissage, in der Bar, im Park, im edlen Restaurant. Manche lieben ihren Parka so sehr, dass sie ihn gar nicht mehr ausziehen. Vielleicht wollen sie auch einfach nur für den nächsten Berliner Schneesturm gewappnet sein. Er hält nicht nur warm, er plustert auch schüchterne Charaktere auf. Der Parka hält nicht nur rauen Berliner Wind ordentlich ab, er ist gleichzeitig ein wohliger Panzer der Coolness gegen die Widrigkeiten der manchmal nicht ganz so schönen Großstadt mit ihren „wilden Tieren“, abgefuckten Plätzen und obszönen Blicken. Fast schon eine Winteruniform für alle bemützten Hipster und schicken Bloggerinnen, die im Oversize-Parka ihr Dasein als „Stil-Ranger“ der Großstadt perfekt widergespiegelt sehen. Den lässigen Big-Size-Look haben sie sich von Rappern à la The Game oder Kanye West abgeguckt, die den Parka mit flauschigem Tierpelz lieben.

Was dem Berliner und Hamburger Hipster-Kreativen-Volk heute ihre Oversize-Statement-Jacke ist, war der aufgebrachten 68er-Generation ihr Schlabber-Parka. Aber es war für sie nicht einfach nur irgendein trendiger Look. Das, was erst nur robuste Einsatzkleidung von Soldaten war, wurde damals zur neuen Uniform der Protestierenden und Studentenbewegungen. Die 68er griffen den Parka als Militär-Element auf und pazifizierten es, indem sie es mit ihren schulterlangen Haaren kombinierten. Manche nähten Peace-Zeichen auf, politisch Aktivere auch Mao-Zedong-Konterfeis. Bei biederen Leuten suchte man den Parka vergeblich, auch war er hauptsächlich ein Männer-Teil. Er signalisierte unmissverständlich die Zugehörigkeit zur Gruppe der Eltern, Spießer und Autoritäten verachtenden Jugend. Die weiten Taschen der Parkas hatten eine praktische Funktion bei Demos und Gelagen. Ältere Freunde, die die 68er im rebellischen Alter von 18 Jahren erlebt haben, erzählen: Die Grundausstattung war eine Zigarettendrehmaschine, ein Feuerzeug und ein bisschen schwarzer Afghan.

 

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Männer in Röhrenjeans und Plateauschuhen

Warum die InStyle Men vermutlich nur von Frauen gelesen wird.

Das Prinzip der Modezeitschrift InStyle ist einfach und funktioniert prima: Stars und Models in teuren, trendigen Klamotten unvorteilhaft und billig fotografiert. Selbst schlanke Schauspielerinnen haben da, von oben und in geringer Entfernung abgelichtet, stämmige Waden. Grazile Models wirken in so mancher alberner Designerrobe ziemlich unförmig. So unvorteilhaft wie sie die Vogue oder Madame niemals zeigen würde. Die Fotos entzaubern die absurden Kleiderfantasien der Designer, als wollten sie sagen: „Seht, Mädchen, selbst an den hübschen Schauspielerinnen sehen diese Lappen albern aus, aber sie sind gerade im Trend!“ Jetzt stellen Sie sich das Ganze mit Männern vor. Unvorteilhaft auf der Straße fotografierten Männern wohlgemerkt. Mit Röhrenjeans, Nachthemden, mit Plateauschuhen und übergroßen Hüten à la Pharell Williams, also mit all dem, was gerade in ist und den wenigsten gut steht. Das letzte, das Männer in ihren Mußestunden wollen, ist bestimmt Fotos von Männern auf der Straße oder sonst wo anzugucken. Auch nicht von Schauspielern, It-Men oder Sängern. Die Vermutung liegt nahe, dass sich das doch eher nur Frauen anschauen, die was zu lachen haben wollen. Ernst bleiben kann man nämlich beim Anblick der Mode-Gecken schwer. Eine gewisse Verwunderung darüber, in was sich gute bis hervorragend aussehende Männer so reinzwängen, dominiert die ganze Lektüre.

So viele Männer können es auch gar nicht sein, die sich die bisherigen InStyle Men bewusst gekauft haben. So weit ich mich erinnern kann, erschien die Männerausgabe der InStyle bis jetzt immer im Bundle mit der Mädchen-InStyle. Was soll man davon halten? Sollen die Mädchen, die sich ihr monatliches Heftchen kaufen, dann das Extra-Heft „Men“ ihren Typen mitbringen oder ihren schwulen Freunden zum Rumblättern? Bis jetzt habe ich in Berlin und auch sonst wo noch keinen Mann oder Jung-Dandy in einer InStyle Men blättern sehen. Sollte doch schon mal ein Mann besagtes Modeheft goutiert haben, soll er sich bitte als lebender Gegenbeweis bei mir melden.

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Man sieht damit aus, als müsse man keinem Brotberuf nachgehen.

Einsteckblumen sind Chichi von gestern. Das Knopfloch im Revers muss deswegen aber nicht leer bleiben …

In der Männerabteilung des Berliner Mode-Kaufhauses Quartier 206 steht eine Bonbonniere. Ihr Inhalt ist so leuchtend bunt, dass man sie nicht übersehen kann. Doch Süßigkeiten sind nicht darin. Sie ist angefüllt mit kleinen Schleifen, gepunktet, gestreift, mit Augen drauf. Die erste Reaktion der Frauen, die mit ihren Männern shoppen gehen und daran vorbeikommen, ist immer die gleiche, wie Store-Manager Italo Rossi erzählt: „Die Frauen sehen die, stürzen sich darauf und sagen: ‚Och, ist das süß.‘ Das ist ja keine Reaktion, die man typischerweise von einem Mann kennt.“ Stimmt. Dass Männer mal „Oh, ist das süß“ sagen, kommt doch eher selten vor. Schnell wird einem klar, dass vor allem die Frauen den Absatz der bunten Miniatur-Bow-Ties beflügeln. Das freut den jungen Designer Dennis Steinborn natürlich. Er hatte die kleinen Anstecker schließlich für beide Geschlechter erdacht. Zu bunten Sakkos passen die unifarbene Modelle, bei schlichten Sakkos setzen dagegen die bunten Schleifen Akzente. Mutige Männer kombinieren die kleinen Dinger zu Dennis‘ farbenfrohen Einstecktüchern. Die Krawatte oder Fliege sollte man dann aber weglassen und sich der weisen Worte Coco Chanels erinnern: „Zum Schluss eines weg.“ Es soll ja nicht zur Zirkusnummer werden. gepunktete einstecktücherHat die kleine Schleife das Zeug dazu, die neue Boutonnière, die verspielte, unernste Variante der Knopflochblume zu werden? Im 19. Jahrhundert diente die Boutonnière dem Dandy noch als Ausdruck seines Müßiggangs und war extrem schick. Oscar Wilde kombinierte Blume im Reversknopfloch mit Einstecktuch. Heute gilt sie als lächerlicher Putz modischer Nostalgiker. Abgesehen davon, dass die meisten Männer keine Lust mehr haben, den Aufwand mit Blumenbehälter und Wässerchen zu betreiben. Accessoires für modebewusste Männer müssen heute einfach zu handhaben sein, spontan, individuell und auch ein bisschen schrill. Die neue Generation Dandy experimentiert mit Einstecktüchern, Fliegen und auffälligen Ansteckern. Und sieht damit auch weiterhin so aus, als müsse sie keinem Brotberuf nachgehen. Berliner Designer wie Dennis Steinborn interpretieren gerade den Reversschmuck neu. Oder Christoph Tophinke: In seinem Berliner Laden mit dem Oldschool-Namen Chelsea Farmers Club gibt es gehäkelte Minitaturblumen für’s Reversknopfloch. Klingt auch sehr oldschool, kommt aber gut an. Es gibt schon eine große Fangemeinde, die seine Häkelblumen trägt. Männliche Leser, die jetzt denken, ich sehe mit dem einen wie dem anderen schwul aus, werden sich wundern, wenn ihnen ihre Freundin demnächst etwas ans Revers steckt.

http://www.14-03.de

http://www.chelseafarmersclub.de

Departmentstore Quartier 206, Friedrichstraße 71, Berlin-Mitte

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„Mein Vater trägt jetzt auch meine Einstecktücher.“

Dennis Steinborn suchte Einstecktücher, die zu seinen bunten Socken passen sollten und fand keine. Also entwarf er selbst welche.

Modeaffe: Herr Steinborn, Ihre Einstecktücher sind immer zweifarbig, immer rund und nie aus Seide. Warum?

Dennis Steinborn: Das Problem, das bestimmt neun von zehn Männern haben, ist, dass ihr Einstecktuch verrutscht. Oder man hat zuviel Stoff. Meine Tücher kann man vielfältig falten, die Form bleibt und die Farben kann man variieren. Ich habe kein einziges Seidentuch. Wenn man nicht gerade Smoking trägt, passt Seide nicht oft.

Modeaffe: Was empfehlen Sie Männern, die sich eigentlich nicht so viel trauen, aber nicht als modische Langweiler dastehen wollen?

Dennis Steinborn: Männer, die nicht so mutig sind, können schlichtere Farben wählen. Oder sie tragen erst mal eines von beidem, Einstecktuch oder Miniatur-Schleife. Das Tolle an meinen kleinen Bow-Ties ist ja, dass man sie jederzeit wieder abpinnen kann. Aber die Männer trauen sich generell mehr. Mein Vater trägt jetzt auch meine Einstecktücher, obwohl er gar nicht so modisch ist, und er bekommt viele Komplimente.

Modeaffe: Was ist too much? Machen bunte Schleifen, Socken und Einstecktuch nicht aus jedem Mann gleich einen schwulen Dandy?

Dennis Steinborn: Die Männermode hat viel mehr Liebe zum Detail gefunden. Schrille Knöpfe, andere Schnitte, bunte Socken. Jeder, der sich’s zutraut, soll es auch tragen. Gerade jüngere Männer können es schon extravaganter tragen und nicht so bieder.

Wo man Dennis Steinborns Accessoires bekommt:

www.14-03.de

14 oz. Store im Haus Cumberland, Kurfürstendamm 194, Berlin-Charlottenburg

Departmentstore Quartier 206, Friedrichstraße 71, Berlin-Mitte

The Store im Bikini-Haus, 1.Etage, Budapester Straße 50, Berlin

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Adam und Steve

Viktor und Rolf

Sind zwar kein Paar, sehen aber so aus: Die Designer Viktor & Rolf

Warum schwule Partner im gleichen Look auftreten.

Neulich beim Essen mit meinem befreundeten schwulen Ehepaar in Berlin Mitte. Adam mit rosa kariertem Hemd und schwarzem Blazer, dazu schwarz geränderte Mitte-Nerd-Brille. Sein fünfzehn Jahre jüngerer Gatte Steve unterscheidet sich von ihm nur durch ein weißes, statt einem schwarz gepunkteten Einstecktuch: Tom Ford. Wie auch die Brille. Mein Kompliment, toller Auftritt! “Ja, wir waren neulich im Quartier 206 bei unserem Paolo. Der steckte uns die Tücher einfach hier so rein. Wir waren total hilflos.“ Steve steckt einen Finger in den Mund und setzt den Lolita-Blick auf. Großes Gelächter, verständnisvoller Blick meinerseits. Ihr Armen! Adam und Steve sind jetzt schon seit drei Jahren verheiratet, die französische Bulldogge Céline ist ihr Kind. Wenn ich nicht wüsste, dass sie ein Paar sind, ich hielte sie für Brüder, denen Mutti aus pragmatischen Erwägungen die gleichen Sachen kauft. Nein, sie sehen nur wie Brüder aus. Ein Phänomen, das man öfters in Berlin beobachten kann. Zwei Lederschwule in der Motzstraße, zwei Händchen haltende Yves-Saint-Laurent-Kopien in der Friedrichstraße, zwei rauchende Cowboys im KitKatClub. Die Adams und Steves dieser Stadt.

Ein besseres Statement, um zu zeigen, dass man zusammengehört, gibt es nicht. Der Partnerlook gibt jedem unmissverständlich zu verstehen, dass man neben dem Bett auch noch den Kleiderschrank teilt. Sie geben damit ein Signal an die Öffentlichkeit. Schaut mal, wir sind wirklich ein Herz und eine Seele. Wir sind eins. Eine sehr romantische Vorstellung. Und Schwule sind ja bekanntlich große Romantiker. Verfechter einer heilen Welt, in der Opern und Torten und Diven und Hunde vorkommen. Bekannte schwule Künstler und Designer leben den Partnerlook vor. Viktor und Rolf zum Beispiel. Die sehen aus wie Zwillinge. Ziehen immer das Gleiche an. Sie wollen natürlich, dass dieser Eindruck entsteht. Penibel achten sie darauf, dass ihre Accessoires genau aufeinander abgestimmt sind. Heute ist das ihr Markenzeichen. Sie sind kein Paar und inszenieren sich doch als solches. Oder Elton John und sein Ehemann David Furnish, die gerne mal zusammen mit gleicher Spaßbrille auf Veranstaltungen auftauchen. Die Inszenierung funktioniert. Zwillinge sind immer ein Hingucker.

 

 

 

 

 

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„I can’t fucking hear you!“

Wie altern Rockstars? Drei Open-Air-Konzerte dieses Frühsommers geben eine Antwort darauf.

Kürzlich rief das Magazin Cicero den letzten großen Sommer des Rock’n’Roll aus. Auf dem Titelblatt der Juni-Ausgabe erschienen Ozzy Osbourne und Mick Jagger als Grimassen schneidende alte Männer. Alt sind sie, keine Frage. Aber wie gehen sie damit um? Dass Totgeglaubte wieder auftreten können, das weiß man spätestens seit dem Konzert von Black Sabbath in der Wuhlheide vergangenes Pfingsten. Ozzy Osbourne lebt noch. Oder besser: Er ist wiederauferstanden. Und die Freude darüber kann selbst seine düstere Schminke nicht verbergen. Er hat die Zuwendung des Publikums, die vielen ausgestreckten Hände, den Ruf der Masse vermisst. Wer alte Bilder vom jungen Ozzy kennt, hatte kurz das Gefühl, das Gesicht des langhaarigen Mannes von damals aufblitzen zu sehen. Aber nur, als das Licht gerade vorteilhaft auf ihn fiel. Ansonsten sah er wie der gruselige, bleichgesichtige Greis aus, der er ist. In die Jahre gekommene Rockstars buhlen ja bekanntlich noch stärker um die Aufmerksamkeit ihres Publikums als blutjunge Rockmusiker. Ozzy Osbourne ist da keine Ausnahme. Immer wieder fordert er das Publikum auf, lauter zu jubeln: „I can’t fucking hear you!“ Ist das ein Zeichen von beginnender Altersschwerhörigkeit? Oder nur Ausdruck seines grenzenlosen Aufmerksamkeitsbedürftnisses? Oder beides?

Die Rolling Stones beweisen dagegen in der Waldbühne, dass sie sich mit 70 noch nicht zur Ruhe setzen müssen. Mit ihrer Mumienroutine überraschen sie zwar keinen Fan mehr, der schon alle Tourneen seit den 80ern mitgemacht hat, aber vor allem die unter 30-Jährigen sehen mit Bewunderung und gleichzeitiger Verwunderung den wilden Tanzeinlagen eines superdünnen Mick Jagger zu. Und freuen sich über die alten Hits, als könnten sie damit jeden Generationsunterschied überwinden. Und dann ist da noch John Fogerty, der will gar nicht erst zeigen, dass er sich verändert hat. Er zelebriert im Hamburger Stadtpark einen naiven Jugendkult und tut so, als wäre er wie damals. Warum sonst wirbt er für seine Tour in einem blauen Karohemd, das jenem zum Verwechseln ähnlich sieht, was er in den 70er Jahren trug? Nicht nur sein Gesicht scheint seit Jahrzehnten unverändert (angeblich ohne Botox), auch seine Stimme ist noch so hell, dass jeder der früheren Songs wie konserviert wirkt. Sind die alten Rockstars wirklich nur tragische Karikaturen der eigenen Person von vor mindestens 30 Jahren, wie der Cicero suggerierte? Oder zeigen Mick, Ozzy und Co nicht gerade, dass es viel cooler ist, nicht in Würde zu altern? In Würde altern, heißt doch nichts anderes, als sich mit dem eigenen Verfall abzufinden und das alles gar nicht so schlimm zu finden. Der ewige Glaube an die Jugend mag zwar absurd sein, aber er macht das Leben doch auch so viel spannender.

 

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Stil

Wandelbar wie eine Goldwespe

Welche Sonnenbrillen gerade für Aufmerksamkeit sorgen

Friedrich Liechtenstein hat sie schon, und Mc Fitti und bestimmt auch Bonnie Strange: Die Sonnenbrille mit irisierenden Gläsern. Sie changiert einmal den Regenbogen rauf und wieder runter. Und findet damit besonders bei exzentrischen Charakteren Zuspruch. Je nach Lichteinfall strahlt eine andere Farbkombination auf. Was für Aufsehen erregende Effekte sorgt. Wenn schon sonst nichts los ist auf der Straße, dann wenigstens ein bisschen Farbenzauber.

Sonnenbrillen diesen Kalibers schaffen, was sonst nur wenige Accessoires leisten: Sie strahlen Extravaganz und Glamour aus. Und man kann locker mit der Coolness von Snowboardern mithalten. Friedrich Liechtenstein, immer mit einer Sonnenbrille von ic! berlin unterwegs, erklärt sein Faible für Sonnenbrillen: „Ich finde Sonnenbrillen geil, weil die Welt mich nicht sieht, wie ich bin und ich sehe auch die Welt nicht, wie sie ist. Ein kleiner Eskapismus. Und ich bin Fan von Eskapismus.“

 

 

 

 

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