Stil

Männer in Röhrenjeans und Plateauschuhen

Warum die InStyle Men vermutlich nur von Frauen gelesen wird.

Das Prinzip der Modezeitschrift InStyle ist einfach und funktioniert prima: Stars und Models in teuren, trendigen Klamotten unvorteilhaft und billig fotografiert. Selbst schlanke Schauspielerinnen haben da, von oben und in geringer Entfernung abgelichtet, stämmige Waden. Grazile Models wirken in so mancher alberner Designerrobe ziemlich unförmig. So unvorteilhaft wie sie die Vogue oder Madame niemals zeigen würde. Die Fotos entzaubern die absurden Kleiderfantasien der Designer, als wollten sie sagen: „Seht, Mädchen, selbst an den hübschen Schauspielerinnen sehen diese Lappen albern aus, aber sie sind gerade im Trend!“ Jetzt stellen Sie sich das Ganze mit Männern vor. Unvorteilhaft auf der Straße fotografierten Männern wohlgemerkt. Mit Röhrenjeans, Nachthemden, mit Plateauschuhen und übergroßen Hüten à la Pharell Williams, also mit all dem, was gerade in ist und den wenigsten gut steht. Das letzte, das Männer in ihren Mußestunden wollen, ist bestimmt Fotos von Männern auf der Straße oder sonst wo anzugucken. Auch nicht von Schauspielern, It-Men oder Sängern. Die Vermutung liegt nahe, dass sich das doch eher nur Frauen anschauen, die was zu lachen haben wollen. Ernst bleiben kann man nämlich beim Anblick der Mode-Gecken schwer. Eine gewisse Verwunderung darüber, in was sich gute bis hervorragend aussehende Männer so reinzwängen, dominiert die ganze Lektüre.

So viele Männer können es auch gar nicht sein, die sich die bisherigen InStyle Men bewusst gekauft haben. So weit ich mich erinnern kann, erschien die Männerausgabe der InStyle bis jetzt immer im Bundle mit der Mädchen-InStyle. Was soll man davon halten? Sollen die Mädchen, die sich ihr monatliches Heftchen kaufen, dann das Extra-Heft „Men“ ihren Typen mitbringen oder ihren schwulen Freunden zum Rumblättern? Bis jetzt habe ich in Berlin und auch sonst wo noch keinen Mann oder Jung-Dandy in einer InStyle Men blättern sehen. Sollte doch schon mal ein Mann besagtes Modeheft goutiert haben, soll er sich bitte als lebender Gegenbeweis bei mir melden.

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Kolumne

Dinkelburger und Jogi-Tee

cafe berlin Foto- Egan Snow _ flickr.com

Foto: Egan Snow / flickr.com

Eine Entwicklung ist in Berlin zu beobachten, die sich nicht mehr leugnen lässt: Die Männer zwischen 30 und 50 gleichen sich den Frauen hinsichtlich ausgefallener Wohlfühlernährung immer mehr an. Sie machen sich die kapriziösen Essgewohnheiten des anderen Geschlechts zu eigen. Laktosefreie Milch, Reiswaffeln, glutenfreies Müsli, Jogi-Tee, frischer Ingwer und Sojajoghurt. Das alles findet sich längst auch in männlichen Single-Küchen. Sehr zum Erstaunen der weiblichen Gäste, die zu Besuch kommen und Wohlfühltee oder handaufgeschäumten Sojamilchcappuccino angeboten bekommen. Und vor allem: Die hippen Mitte-Männer stehen in aller Öffentlichkeit zu ihren feminin anmutenden Ernährungsticks. Zunehmend trinken auch sie ihren laktosefreien Latte in den Cafés, um keinen Pupsi-Bauch zu bekommen. Oder sie bestellen grüne Smoothies als Teil ihrer Detox-Kur. Sie finden Gefallen an Veggie-Burgern und exotisch klingenden Gemüsesorten wie Topinambur. Soll man das als Zeichen einer fortschreitenden Verweichlichung der Männer auffassen oder sich über diese Entwicklung freuen? Fakt ist, dass die Domänen Fitness, Wellness, Beauty-Food, Entschleunigen und Balance inzwischen nicht mehr nur den Frauen gehören. Einkaufen im Bio-Supermarkt gehört nun auch für viele Männer genauso zum Alltag wie der Besuch eines Jogakurses oder die Teilnahme an einer Familienaufstellung.

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Lifestyle

„Macht euch die Finger so richtig schmutzig!“

Wie es sich anhört, wenn der derzeit coolste Sommelier Berlins über Essen, Wein und Tischmanieren spricht.

Billy Wagner weiß, wo das Gold liegt. Er hat eine Mission. Und die heißt Brandenburg. Was das nächste große Ding sein wird, der nächste große Trend nach Molekular, Burger& Steaks, nach Streetfood, skandinavischer und spanischer Avantgardeküche, vermag er nicht zu sagen. Aber er weiß schon jetzt eines und wie er es vorträgt, das hat schon etwas sehr Prophetenhaftes an sich: „Ich sage euch: Die nächsten 25, ja 30 Jahre werden im Zeichen der Uckermark, des Havellandes, der Müritz und des Spreewalds stehen.“ Billy Wagner kann man mit gutem Grund als den fanatischsten Sommelier Berlins bezeichnen. Radikal, brutal, kompromisslos sind seine Lieblingsadjektive. In der Berliner Weinbar Rutz wurde der angenehm exzentrische Weinkenner mit Hang zu Dandy-Details zum Star. Seit er vor einem Jahr das Rutz verließ, ist sein Bart noch voller geworden. Jetzt sieht er aus, wie die Männer in Berlin Mitte so aussehen. Wie gepflegte Holzfäller, Sektenmitglieder oder Jung-Propheten.

Sommeliers haftete ja lange Zeit das Image pedantischer Schnösel an. Steife, austauschbare Männer, die langweilige Vorträge halten, von denen man beim ersten Schluck Wein wieder alles vergessen hat. Billy Wagner ist ganz klar Entertainer. Er verkörpert den neuen Berlin-Stil der Sommeliers. „Wenn ich nur über Weine rede, hört mir doch keiner zu. Man muss dem ganzen doch ein Gesicht verleihen.“ Wagner setzt sich nicht nur äußerlich von vielen seiner Kollegen ab, er hat auch verstanden, dass man als Sommelier eine Botschaft haben und die Leute mitreißen muss. Eben fanatisch sein und polarisieren. Das fängt schon beim Namen seines neuen Restaurants an: Nobelhart & Schmutzig. Für Billy Wagner schließen sich feiner Geschmack und Derbheit nicht aus. „Es ist doch so, dass ein richtig gutes Essen auch immer schmutzig endet.“ Besser hätte es Luther wohl auch nicht ausdrücken können. Über allem steht das sinnliche Gesamterlebnis. Ein Wein, ein Gericht muss einen Eindruck, eine Erinnerung hinterlassen. „Ein Gang ist toll, wenn wir uns ganz stark auf das Essen konzentrieren, was so viel heißt, wie das Essen anzufassen. Wenn wir das Essen anfassen, dann gehen wir eine ganz andere Verbindung ein, als wenn wir nur mit dem Besteck essen.“ Wie wenn man am Kotti einen Döner isst. Haptischer geht es nicht.

Den Hype der Materie, die Glorifizierung des Haptischen, grob gesagt, das Handgreifliche, das hat Wagner von den Köchen gelernt. „Köche können ja manchmal ziemlich derbe sein. Diese Derbheit ist aber auch wichtig, weil man sehr nah am Essen ist.“ Wenn Wagner über Wein redet, dann kann er auch richtig derbe werden. Nicht ordentlich gekühlten Rotwein bezeichnet er auch schon mal als „pisswarm“. Da hat er beim Italiener im Sommer schlimme Erfahrungen gemacht. Aperol Spritz, das geht für ihn auch gar nicht. Der Mann hat eben seine Prinzipien. Genauso wichtig wie das Anfassen ist für Billy Wagner aber auch die geschmackliche Symbiose von Essen und Wein. Da gibt er in fast allen Fällen immer die gleiche Empfehlung: Wenn man das Essen im Mund hat, sollte man einen ordentlichen Schluck Wein drauf kippen.

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