Stil

Meinen Bart kann mir niemand nehmen.

Warum die Männerbärte noch voller werden, aber keinesfalls abrasiert.

Noch nie haben sich die Medien so sehr auf das Thema Männerfrisuren gestürzt wie man es zurzeit beobachten kann. Alle fragen sich, wie es mit dem Bart 2015 weiter geht, als ob davon alles weitere abhängen würde. Auch wenn das bärtige Hipstertum viele schon nervt (siehe das Trendbarometer auf Spiegel Online) und Kai Diekmann sich kurzzeitig von seinem Bart verabschiedet hatte: Üppige Bärte werden auch 2015 definitiv zum Berliner Stadtbild gehören. Das haben auch die Stilkritiker vom Zeit Magazin erkannt. Und die Bärte werden womöglich noch voller werden. Selbst Kai Diekmann, der schon ganz euphorisch von Trendbloggern als erstes prominentes Beispiel für die Abkehr vom Vollbart und damit vom Hipsterstatus als solchem gefeiert wurde, soll das Haar schon wieder eifrig wachsen lassen.

Irgendwie kann man es auch nachvollziehen, dass der Holzfäller-Look nicht von heut auf morgen verschwinden wird. Er wird vielmehr Normalität werden, vielleicht langweilig, aber die ganzen Jung-Propheten und stylischen Naturburschen werden vorerst nicht verschwinden. Die wenigsten Männer, die es einmal zu einer richtig voluminösen Bartfrisur gebracht haben, werden sich davon auch wieder trennen. Der Grund ist ganz einfach: Warum sollten sie ihre mit viel Mühe gepflegte Männlichkeit, in die sie teure Schönheitsprodukte investiert haben, eintauschen gegen das Jungengesicht, das sie selbst schon verdrängt haben.

Bei Frauen kennt man ein ähnliches Phänomen: die trennen sich ja auch nicht so einfach von ihrem langen Haar, das sie in jahrelanger Arbeit wachsen ließen. Außer sie machen gerade eine Krise oder Trennung durch. Genauso geht es den Männern mit Vollbart auch. Da muss schon ein richtig tolles Mädchen kommen, in das sie sich verlieben und das keine Barthaare beim Küssen in den Mund bekommen möchte.

 http://www.spiegel.de/stil/pressekompass-zum-vollbart-a-1008334.html

Standard
Lifestyle

„Macht euch die Finger so richtig schmutzig!“

Wie es sich anhört, wenn der derzeit coolste Sommelier Berlins über Essen, Wein und Tischmanieren spricht.

Billy Wagner weiß, wo das Gold liegt. Er hat eine Mission. Und die heißt Brandenburg. Was das nächste große Ding sein wird, der nächste große Trend nach Molekular, Burger& Steaks, nach Streetfood, skandinavischer und spanischer Avantgardeküche, vermag er nicht zu sagen. Aber er weiß schon jetzt eines und wie er es vorträgt, das hat schon etwas sehr Prophetenhaftes an sich: „Ich sage euch: Die nächsten 25, ja 30 Jahre werden im Zeichen der Uckermark, des Havellandes, der Müritz und des Spreewalds stehen.“ Billy Wagner kann man mit gutem Grund als den fanatischsten Sommelier Berlins bezeichnen. Radikal, brutal, kompromisslos sind seine Lieblingsadjektive. In der Berliner Weinbar Rutz wurde der angenehm exzentrische Weinkenner mit Hang zu Dandy-Details zum Star. Seit er vor einem Jahr das Rutz verließ, ist sein Bart noch voller geworden. Jetzt sieht er aus, wie die Männer in Berlin Mitte so aussehen. Wie gepflegte Holzfäller, Sektenmitglieder oder Jung-Propheten.

Sommeliers haftete ja lange Zeit das Image pedantischer Schnösel an. Steife, austauschbare Männer, die langweilige Vorträge halten, von denen man beim ersten Schluck Wein wieder alles vergessen hat. Billy Wagner ist ganz klar Entertainer. Er verkörpert den neuen Berlin-Stil der Sommeliers. „Wenn ich nur über Weine rede, hört mir doch keiner zu. Man muss dem ganzen doch ein Gesicht verleihen.“ Wagner setzt sich nicht nur äußerlich von vielen seiner Kollegen ab, er hat auch verstanden, dass man als Sommelier eine Botschaft haben und die Leute mitreißen muss. Eben fanatisch sein und polarisieren. Das fängt schon beim Namen seines neuen Restaurants an: Nobelhart & Schmutzig. Für Billy Wagner schließen sich feiner Geschmack und Derbheit nicht aus. „Es ist doch so, dass ein richtig gutes Essen auch immer schmutzig endet.“ Besser hätte es Luther wohl auch nicht ausdrücken können. Über allem steht das sinnliche Gesamterlebnis. Ein Wein, ein Gericht muss einen Eindruck, eine Erinnerung hinterlassen. „Ein Gang ist toll, wenn wir uns ganz stark auf das Essen konzentrieren, was so viel heißt, wie das Essen anzufassen. Wenn wir das Essen anfassen, dann gehen wir eine ganz andere Verbindung ein, als wenn wir nur mit dem Besteck essen.“ Wie wenn man am Kotti einen Döner isst. Haptischer geht es nicht.

Den Hype der Materie, die Glorifizierung des Haptischen, grob gesagt, das Handgreifliche, das hat Wagner von den Köchen gelernt. „Köche können ja manchmal ziemlich derbe sein. Diese Derbheit ist aber auch wichtig, weil man sehr nah am Essen ist.“ Wenn Wagner über Wein redet, dann kann er auch richtig derbe werden. Nicht ordentlich gekühlten Rotwein bezeichnet er auch schon mal als „pisswarm“. Da hat er beim Italiener im Sommer schlimme Erfahrungen gemacht. Aperol Spritz, das geht für ihn auch gar nicht. Der Mann hat eben seine Prinzipien. Genauso wichtig wie das Anfassen ist für Billy Wagner aber auch die geschmackliche Symbiose von Essen und Wein. Da gibt er in fast allen Fällen immer die gleiche Empfehlung: Wenn man das Essen im Mund hat, sollte man einen ordentlichen Schluck Wein drauf kippen.

Standard