Wie altern Rockstars? Drei Open-Air-Konzerte dieses Frühsommers geben eine Antwort darauf.
Kürzlich rief das Magazin Cicero den letzten großen Sommer des Rock’n’Roll aus. Auf dem Titelblatt der Juni-Ausgabe erschienen Ozzy Osbourne und Mick Jagger als Grimassen schneidende alte Männer. Alt sind sie, keine Frage. Aber wie gehen sie damit um? Dass Totgeglaubte wieder auftreten können, das weiß man spätestens seit dem Konzert von Black Sabbath in der Wuhlheide vergangenes Pfingsten. Ozzy Osbourne lebt noch. Oder besser: Er ist wiederauferstanden. Und die Freude darüber kann selbst seine düstere Schminke nicht verbergen. Er hat die Zuwendung des Publikums, die vielen ausgestreckten Hände, den Ruf der Masse vermisst. Wer alte Bilder vom jungen Ozzy kennt, hatte kurz das Gefühl, das Gesicht des langhaarigen Mannes von damals aufblitzen zu sehen. Aber nur, als das Licht gerade vorteilhaft auf ihn fiel. Ansonsten sah er wie der gruselige, bleichgesichtige Greis aus, der er ist. In die Jahre gekommene Rockstars buhlen ja bekanntlich noch stärker um die Aufmerksamkeit ihres Publikums als blutjunge Rockmusiker. Ozzy Osbourne ist da keine Ausnahme. Immer wieder fordert er das Publikum auf, lauter zu jubeln: „I can’t fucking hear you!“ Ist das ein Zeichen von beginnender Altersschwerhörigkeit? Oder nur Ausdruck seines grenzenlosen Aufmerksamkeitsbedürftnisses? Oder beides?
Die Rolling Stones beweisen dagegen in der Waldbühne, dass sie sich mit 70 noch nicht zur Ruhe setzen müssen. Mit ihrer Mumienroutine überraschen sie zwar keinen Fan mehr, der schon alle Tourneen seit den 80ern mitgemacht hat, aber vor allem die unter 30-Jährigen sehen mit Bewunderung und gleichzeitiger Verwunderung den wilden Tanzeinlagen eines superdünnen Mick Jagger zu. Und freuen sich über die alten Hits, als könnten sie damit jeden Generationsunterschied überwinden. Und dann ist da noch John Fogerty, der will gar nicht erst zeigen, dass er sich verändert hat. Er zelebriert im Hamburger Stadtpark einen naiven Jugendkult und tut so, als wäre er wie damals. Warum sonst wirbt er für seine Tour in einem blauen Karohemd, das jenem zum Verwechseln ähnlich sieht, was er in den 70er Jahren trug? Nicht nur sein Gesicht scheint seit Jahrzehnten unverändert (angeblich ohne Botox), auch seine Stimme ist noch so hell, dass jeder der früheren Songs wie konserviert wirkt. Sind die alten Rockstars wirklich nur tragische Karikaturen der eigenen Person von vor mindestens 30 Jahren, wie der Cicero suggerierte? Oder zeigen Mick, Ozzy und Co nicht gerade, dass es viel cooler ist, nicht in Würde zu altern? In Würde altern, heißt doch nichts anderes, als sich mit dem eigenen Verfall abzufinden und das alles gar nicht so schlimm zu finden. Der ewige Glaube an die Jugend mag zwar absurd sein, aber er macht das Leben doch auch so viel spannender.
Lemmy Kilmister:
Live’s journey is not to arrive at the grave savely in a well preserved body, but rather to skid in sideways, totally worn out, shouting: holy shit what a f** ng gig
Was unterscheidet diese letzten Rock’n Roll Heroen von den heutigen Lady Gagas?
Sie haben ein Werk, mit dem sie einen Stil geprägt haben! Bei vielen der heutigen Popsternchen ersetzt ein bisschen Stil das nicht vorhandene (oder nicht selbst geschaffene) Werk.
Lieber Modeaffe!
Beide Kommentatoren haben irgendwo recht: Diese Leute können einerseits nicht ohne ihr Publikum leben (genauso wenig wie Zarah Leander oder Herbert von Karajan), andererseits sind sie in ihrer Hochzeit zeitprägend gewesen, so daß sie immer noch ihre Fans haben, die sie aber garnicht weiterentwickelt sehen wollen. Wenn sie körperlich in der Lage dazu sind (die ältere Zarah war es leider nicht mehr), dann sollen sie doch machen! Der alte Fritz sagte einmal: „Ein jeder solle nach seiner Facon seelig werden!“
Zu Ihrer Frage der Altersschwerhörigkeit kann ich nur sagen, daß beide Antworten stimmen! Ich bin mir sicher, daß sie einerseits durch die permanente Lautstärke auf der Bühne Hörschäden erleiden (das passiert den Philharmonikern auch), andererseits das Bedürfnis nach Zuneigung der Fans, je älter man, wird zunimmt.
Ich bin selber Sänger in einem anderen Musikstil – bei mir es wichtiger, daß das Publikum leise ist – und wenn es das manchmal nicht ist, frage ich: „Hören Sie mich da hinten eigentlich?“, Antwort: „Ja!“, ich: „Wunderbar, ich Sie nämlich auch!“. 😉
Beste Grüße und viel Erfolg weiterhin mit Ihrem Blog,
Bobby und Henry de Winter
Brilliant music! Nur warum haben alle Kandidaten die selbe mittige Delle auf der Stirn? Ach ja, durch’s liften muss der Bauchnabel irgendwie hochgerutscht sein.
Ich war vor ein paar Jahren einmal mit Donovan (Leitch) unterwegs. Er sagte mir, ‚music is my drug, my curse and my blessing.‘ Tatsache ist, sie können nicht anders, als auf der Bühne zu sein, Musik zu machen, sich an der Masse aufzuladen. Sie leben die Musik denn sie sind die Musik. Leidenschaft kennt kein Alter und tragisch ist höchstens, ein Leben lang ohne Leidenschaft zu arbeiten, wie so viele. Und bemerkenswert eigentlich, wie viele von ihnen es geschafft haben, die Drogenangebote der 60er, 70er, 80er und 90er zu überleben.
Ein schön geschriebener Artikel, lieber Modeaffe, der sicherlich viele Meinungen zum Thema spaltet.