Warum ein Zollstock in der Sammlung Haubrok herumliegt.
Dass man Kunstgeschichte studiert hat, merkt man, wenn man einen Zollstock auf der Fensterbank einer Galerie liegen sieht und denkt: Das gehört bestimmt mit zur Ausstellung. Jeder andere hätte gedacht: Komisch, irgendjemand hat seinen Zollstock hier vergessen. Und diese Reaktion kann man vollkommen nachvollziehen. Der Zollstock steht nicht auf einem Sockel, er hängt nicht an der Wand, er liegt einfach nur rum. Warum sollte er Kunst sein? Als Kunsthistoriker ist man abgeklärter. Viel Unverständliches, Banales, Absurdes, Unauffälliges haben Künstler schon hervorgebracht. Und man weiß: Dass Industrieerzeugnisse, Fundstücke, banale Alltagsobjekte in den Rang von Kunstwerken aufsteigen und sogar ausgestellt werden, ist möglich. Seit jemand mal auf die Idee kam, ein Pissoirbecken um 90 Grad gekippt liegend zu präsentieren und entschied, dass es nicht länger ein Urinal sei und damit Erfolg hatte. Er nannte es „Foutain“ und „Readymade“. Der Gedanke, der dahinter steckte: Ein unveränderter Alltagsgegenstand wird allein durch die Auswahl des Künstlers und die Umbenennung zu dem, was er ist: zum autonomen Werk. Marcel Duchamp hieß der Typ, der die Idee hatte. Er wurde damit zu einem der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Wegen ihm liegt heute dieser Zollstock des Künstlers Andreas Slominski in der Sammlung Haubrok herum. Wegen ihm gehen heute Künstler in den Baumarkt und können ihre Beute in Ausstellungen zeigen, ohne ausgelacht zu werden.
Die Sammlung Haubrok, in der „Fahrbereitschaft“, Herzbergstraße 40/43 Berlin-Lichtenberg
… man muss das Rad nicht neu erfinden, ready 😉�