Kunst

Jahrmarktszauber

Neonlicht, Büdchen und ein Goldfisch im Edelsteinbehälter: Die Berliner Kunstmesse abc präsentiert sich als bunte Zirkusnummer.

Neon scheint ja jetzt schwer angesagt zu sein. Das wird dem Besucher der abc Kunstmesse in der Station am Gleisdreieck dieses Jahr schon am Eingang klar. Am Dach des früheren Bahnhofs sind allerlei Neon-Comicfigürchen angebracht. Als Dekoration ist das ja ganz witzig. Aber auch im Inneren haben die Künstler bei ihren Werken nicht am Neonlicht gespart. Es ist eben ein gutes Mittel, um die Aufmerksamkeit auf sich zu ziehen. Auch auf etwas, das eher mittelmäßig ist. Es ist ein besonders grelles Licht und die Augen können sich nicht wehren. Wie bei Leuchtreklame. Die Frage, warum man jedoch jeden x-beliebigen, uninspirierten Satz gleich als Neonschrift an die Wände bringen muss, weil man denkt, in Neon wäre er originell und Kunst, stellt sich unweigerlich. Nach einem kurzen Rundgang durch die abc, die sich selbst als Plattform für internationale Galerien und Künstler sieht, wird klar: Viele der ausgestellten Werke sind vor allem auf schnelle Konsumierbarkeit hin angelegt. Zum längeren Sinnieren wird man erst gar nicht verleitet. Man soll nicht über die Kunstobjekte nachdenken, man soll in sie hineinspazieren wie in ein Zirkuszelt, man soll in sie hineingucken und staunen wie in einer Wunderkammer. Gleich in der Eingangshalle steht eine Box. Aus dem Inneren strahlt das blaue Licht der Neonröhren. Beim Herantreten entpuppt sich der Kasten als Ein-Mann-Bar. Die „Bar der Einsamkeit“, wie die Dame daneben erklärt. Während hier jedoch ein einsamer Trinker zum Begaffen fehlt, kann man an anderer Stelle in der Halle einem schwarz bemalten Wilden beim Herumsitzen in einer Art Jahrmarktsbude zuschauen. Das Innere des Büdchens nennt sich dann auch Mad Animal Room. Wer nun denkt, das wäre es mit der Attraktion gewesen, irrt. Mehr noch als der ungewaschene Wilde zieht ein anderes Arrangement den Blick der Besucher auf sich: Inmitten der ganzen bunten Kunst hängt ein Amethystdruse. Und weil ein Edelstein allein langweilig gewesen wäre, hat ihn der Künstler mit Wasser gefüllt und einen Goldfisch hineingesetzt.

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Kunst

Die Sonne ist ein Kreis.

Der Lichtkünstler Otto Piene versuchte, was sich 120 Jahre zuvor schon William Turner vorgenommen hatte: dem Licht eine Form zu geben.

Wer glaubt, dass die Kunst der 60er und 70er Jahre nur bunt und poppig war, irrt. Nicht alle Künstler haben kitschige Kaleidoskop-Orgien im LSD-Rausch hinterlassen. Otto Piene hat in jener Zeit ein verblüffend eigenständiges Oeuvre geschaffen. Es ist gleichsam düster und hell. Wer nur seine psychedelisch farbige Lichtshow in der Neuen Nationalgalerie gesehen hat, macht sich keine Vorstellung. Pienes künstlerisches Anliegen war alles andere als bescheiden. Er machte sich daran, nichts Geringeres als das Flüchtige, das Atmosphärische darzustellen: das Licht, das Feuer, das sich Verzehrende, das Züngeln, den Rauch. Doch scheint es nicht schwer vorstellbar, das Ephemere zu malen, gar zu modellieren? Wie kann ein Künstler etwas festhalten, dass nicht festzuhalten ist und welche Farbe gibt er ihm? Alles keine abwegigen Fragen.

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Wie Kinder das machen, ist jedem bekannt. Kinder malen ja gerne Regenbogen, weil sie dann so gut wie alle Farben verwenden können, die sie haben. Die Sonne ist bei ihnen ein gelber Kreis mit gelben Strichen oder Zacken. Wolken werden durch ihre Hände zu blauen Kissen. Sternschnuppen sind nichts weiter als ein Stern mit einem Stiel dran. Rauch erscheint als graue Schraffur auf dem Blatt oder als gewellte Linien. Kinder tun sich nicht schwer daran, den flüchtigen Dingen klar umrissene Formen zu geben. Seien wir ehrlich, würden wir den Auftrag kriegen, eine Sonne zu malen, würden wir sie auch als Kreis malen, als gelben Kreis. Aber es geht ja nicht um uns, sondern um Otto Piene. Der zeigte eine erstaunliche Kreativität, wenn es um die Darstellung der Elemente Luft, Feuer und Licht ging. Seine Rauch- und Feuerbilder erhalten ihre besondere Aura gerade durch die Einbeziehung dessen, was sie thematisieren: Öl und Ruß auf Leinwand. Öl, Feuer und Heu auf Leinwand. Indem Piene seine Bildträger ankokelte, kam er den Phänomenen der Sonne näher als der englische Maler William Turner um 1846 mit seinen Wasserfarben. Auf Pienes roten Sonnen scheint es tatsächlich zu brutzeln und zu züngeln.

otto piene lamp webDoch damit nicht genug. Bei seinen Lampen und Installationen geht das Experiment der Elemente weiter. Und stößt auch an seine Grenzen. Skulptur zwingt unweigerlich zur Abstraktion, Licht und Feuer werden in reduzierte Formen überführt. Pienes changierende Lampen regen weniger zu philosophischen Gedanken über das Ephemere an, man hält sie vielmehr für formidable Einrichtungselemente. Da muss man heute schon länger suchen, um ähnliche Schmuckstücke zu finden. Pienes Weißer Lichtgeist von 1966 erinnert an Brancusis Colonne sans fin. Und an die Lavalampen, die in den 70ern so beliebt waren. An eine High-Class-Variante der Lavalampen. Bannt Piene noch das Licht bei seinen Lampen in feste Formen, so lässt er ihm bei seinen lichtkinetischen Arbeiten freien Raum. In der dunklen Kammer am Ende der Ausstellung wird man Zeuge einer fast kosmischen Schau. Lichtteilchen entstehen, verbinden sich mit anderen, vergehen, spermienartige Gebilde schweben umher. Eine Art Ursuppe. Otto Piene nannte es „Lichtballett“.

Otto Piene. More Sky, Kunsthalle Deutsche Bank, Unter den Linden 13/15, Berlin-Mitte, 10-20, bis 31.8.2014

 

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