Kunst

Das da drüben ist bestimmt auch Kunst!

Zollstock Sammlung Haubrock

Hätte man beinahe übersehen: Der Zollstock von Andreas Slominski auf der Fensterbank

Warum ein Zollstock in der Sammlung Haubrok herumliegt.

Dass man Kunstgeschichte studiert hat, merkt man, wenn man einen Zollstock auf der Fensterbank einer Galerie liegen sieht und denkt: Das gehört bestimmt mit zur Ausstellung. Jeder andere hätte gedacht: Komisch, irgendjemand hat seinen Zollstock hier vergessen. Und diese Reaktion kann man vollkommen nachvollziehen. Der Zollstock steht nicht auf einem Sockel, er hängt nicht an der Wand, er liegt einfach nur rum. Warum sollte er Kunst sein? Als Kunsthistoriker ist man abgeklärter. Viel Unverständliches, Banales, Absurdes, Unauffälliges haben Künstler schon hervorgebracht. Und man weiß: Dass Industrieerzeugnisse, Fundstücke, banale Alltagsobjekte in den Rang von Kunstwerken aufsteigen und sogar ausgestellt werden, ist möglich. Seit jemand mal auf die Idee kam, ein Pissoirbecken um 90 Grad gekippt liegend zu präsentieren und entschied, dass es nicht länger ein Urinal sei und damit Erfolg hatte. Er nannte es „Foutain“ und „Readymade“. Der Gedanke, der dahinter steckte: Ein unveränderter Alltagsgegenstand wird allein durch die Auswahl des Künstlers und die Umbenennung zu dem, was er ist: zum autonomen Werk. Marcel Duchamp hieß der Typ, der die Idee hatte. Er wurde damit zu einem der einflussreichsten Künstler des 20. Jahrhunderts. Wegen ihm liegt heute dieser Zollstock des Künstlers Andreas Slominski in der Sammlung Haubrok herum. Wegen ihm gehen heute Künstler in den Baumarkt und können ihre Beute in Ausstellungen zeigen, ohne ausgelacht zu werden.

Die Sammlung Haubrok, in der „Fahrbereitschaft“, Herzbergstraße 40/43 Berlin-Lichtenberg

 

 

 

 

 

 

 

 

 

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Kunst

Kunst für kultivierte Metzger

Die Michael Schultz Galerie zeigt Schweinehälften aus Porzellan

Schon mal vorweg: Diese Ausstellung eignet sich nicht für Tierliebhaber, Vegetarier oder Anhänger der veganen Esskultur. Alle anderen werden etwas zu gucken haben. Die „China Meat Series“ des chinesischen Künstlers Ma Jun versammelt Hälften, Füße und Köpfe vom Schwein. Und das alles in Lebensgröße. Für den ein oder anderen Kunstliebhaber unter den Fleischern wird sich hier ein ordentliches Stück für das heimische Wohnzimmer finden. Scherz beiseite: Wer wird so etwas kaufen? Kunstsammler wie Boros vielleicht? Sehr extravagante Sammler sicher. Documenta-Publikum.

Normalerweise wird man nicht mit Fleisch in dieser Form konfrontiert. In Scheiben, in Stückchen, portioniert, aber nicht im Ganzen. Rohes Fleisch, totes Tier erzeugt immer auch Ekel. Indem Ma Jun die Schlachterzeugnisse aber in weißem Porzellan fertigt, nimmt er ihnen etwas von der brutalen Materialität, die Fleisch sonst anhaftet.

Ma Jun, „Immaterial Substance“ noch bis 7. Juni 2014. Michael Schultz Galerie, Mommsenstraße 34
, Berlin


 

 

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