Die Michael Schultz Galerie zeigt Schweinehälften aus Porzellan
Schon mal vorweg: Diese Ausstellung eignet sich nicht für Tierliebhaber, Vegetarier oder Anhänger der veganen Esskultur. Alle anderen werden etwas zu gucken haben. Die „China Meat Series“ des chinesischen Künstlers Ma Jun versammelt Hälften, Füße und Köpfe vom Schwein. Und das alles in Lebensgröße. Für den ein oder anderen Kunstliebhaber unter den Fleischern wird sich hier ein ordentliches Stück für das heimische Wohnzimmer finden. Scherz beiseite: Wer wird so etwas kaufen? Kunstsammler wie Boros vielleicht? Sehr extravagante Sammler sicher. Documenta-Publikum.
Normalerweise wird man nicht mit Fleisch in dieser Form konfrontiert. In Scheiben, in Stückchen, portioniert, aber nicht im Ganzen. Rohes Fleisch, totes Tier erzeugt immer auch Ekel. Indem Ma Jun die Schlachterzeugnisse aber in weißem Porzellan fertigt, nimmt er ihnen etwas von der brutalen Materialität, die Fleisch sonst anhaftet.
Ma Jun, „Immaterial Substance“ noch bis 7. Juni 2014. Michael Schultz Galerie, Mommsenstraße 34 , Berlin
„Normalerweise wird man nicht mit Fleisch in dieser Form konfrontiert. In Scheiben, in Stückchen, portioniert, aber nicht im Ganzen.“ –> Ich empfehle Dir „Hitze“ von Bill Bufford. Einerseits wirst Du Orte erkennen, an denen Du warst – und andererseits wirst Du erleben, wie wichtig es ist, einmal ein ganzes Schwein zu schlachten. Wenn auch nicht notwendigerweise im Berliner Loft 😉
Danach wirst Du die Werke Ma Juns vielleicht im anderen Licht sehen!
Kommentare wurden offenbar vertauscht – wenn möglich den letzten löschen, hier ist der richtige:
Guter Ansatz, verkürzt dargestellt. Wir als FreshEggsGallery haben einen etwas anderen Blick auf die hiesige Kunstszene. Wer welches Kunstwerk kauft, lässt sich schwerlich vorhersehen; gewiss nicht, indem man die Essensgewohnheiten der Sammler zurate zieht. Das sogenannte extravagante Publikum ist ebenso sprunghaft wie das Documentapublikum vermeintlich liquide. Bei der Documenta geht es wohl um alles, außer ums Verkaufen. Wer sammeln will, besucht die Kunstmessen. Wer nur mal gucken will (und nicht unbedingt Kunstexperte ist), fährt nach Kassel. Davon abgesehen: als ganz so spektakulär respektive „extravagant“ empfinde ich diese Skulpturen nicht. Kunsthistorische Referenzen finden sich zuhauf, man denke an die Vanitas-Stillleben (Fleisch, konserviert für die Ewigkeit), an die Anti-Eat-Art eines Paul McCarthys, Fischli/Weiss’ „Wurstserie“, Abramovics’ „Balkan Barroque“, Damien Hirsts Formaldehydungeheuer, Lady Gagas Kotelett-Kleid etc. pp. So erzielt Ma Jun durch den Materialwechsel durchaus den gegenteiligen Effekt, nämlich die Ästhetisierung des toten Tiers. Somit kein kurzweilig für die Vernissageschickeria aufbereiteter Schockeffekt. Wer Ekel sucht, konsultiere besser das nächstgelegene Schlachthaus.