Genuss

Meister der Keulen: Schinken schneiden als Kunst

In Spanien ist sein Beruf hoch angesehen, in Deutschland jedoch nur Kennern ein Begriff: Torsten Habermann arbeitet als Cortador de Jamon. Er beherrscht den kunstvollen Schnitt von teuren Schinken.

Schinkenschneider genießen in Spanien eine ähnliche Wertschätzung wie Sterneköche. Sie werden Cortadores de Jamon genannt und sind eine Attraktion auf Hochzeiten und Familienfeiern. Es gibt sogar Meisterschaften, bei denen die Finalisten in vorgeschriebener Zeit eine bestimmte Menge Schinken hauchfein schneiden und kunstvoll auf einem Teller arrangieren müssen. Die Superstars der Szene treten vor berühmten Sängern und Schauspielern auf und verlangen pro geschnittener Keule bis zu 3500 Euro.

Zerteilt wird der Jamon schon seit langer Zeit, allerdings hat sich der Schnitt als Kunstform erst innerhalb der letzten 15 Jahre herausgebildet, erzählt der Berliner Torsten Habermann. Er kennt sich mit dem spanischen Handwerk aus, denn er hat 2012 als erster Deutscher an der Handelskammer in Madrid eine Ausbildung zum Cortador de Jamon gemacht. Als solcher kann er einen gereiften Schweineschinken nicht nur kunstvoll, sondern auch mit der maximalen Ausbeute schneiden. So bleibt kaum Fleisch am Knochen zurück, was angesichts des Preises für Topschinken auch wichtig ist. Ein ausgebildeter Schinkenschneider ist Kenner der einzelnen Schweinerassen und Herkunftsgebiete – mit guten Kontakten zu den Produzenten.

Eine Scheibe vom iberische Eichelschinken Jamón ibérico de bellota.
Eine Scheibe vom iberische Eichelschinken Jamón ibérico de bellota.

Schinken schneiden als Meditation

„Schinken schneiden hat etwas Meditatives, aber zugleich ist es auch eine Kunst! Ich sehe den Schinken als eine Art Skulptur an“, sagt Habermann. Er achtet darauf, dass die Keule, für die es eine spezielle Halterung benötigt, horizontal gerade und in gleichmäßige Scheiben geschnitten wird. Deren Größe hängt dabei von der Stelle ab, von der die filigranen Scheiben geschnitten werden. In der Mitte können diese fünf Zentimeter in der Länge und drei Zentimeter in der Breite messen. Ein „Bogen“ im Fleisch, der immer tiefer wird, sei „ein absolutes No-Go“.

Es braucht mehrere Jahre und viel Praxis, bis man die Technik beherrscht, vergleichbar mit einem japanischen Sushi-Meister. „Man muss viele Schinken schneiden, bevor man ein echter Cortador ist“, sagt der 46-Jährige, der zehn Jahre in Madrid gelebt hat. Seine bisher größte Herausforderung: Für den spanischen Botschafter in Berlin und seine 800 Gäste schnitt er am spanischen Nationalfeiertag fünf Schinken hintereinander. Eine echte Knochenarbeit!

Die Schinkenkeule als Skulptur: Horizontal wird das Fleisch bis zum Knochen heruntergeschnitten.
Die Schinkenkeule als Skulptur: Horizontal wird das Fleisch bis zum Knochen heruntergeschnitten.

Wer Habermann über die Schulter schaut, ist erstaunt, mit wie vielen verschiedenen Messern er hantiert. Mit dem Chefmesser entfernt er die dicke, harte Schwarte, die den Schinken luftdicht umgibt und vor Ungeziefer und Pilzbefall schützt. Der Entbeiner nützt ihm um das Fleisch vom Knochen zu lösen, und mit dem biegsamen Jamon-Messer kommt er gut an schwierige Stellen. Eine Pinzette dient dazu, die Stücke aufzugreifen und dekorativ so auf dem Teller zu platzieren, dass die Maserung ein Muster ergibt. Eine Aufschnittmaschine ist tabu und würde die feine Textur zerstören. Was Habermann in seinen Kursen lehrt: Immer die Hand vom Messer weghalten. Jedes Jahr schneiden sich tatsächlich zehntausende Spanier beim laienhaften Zerteilen des Schinkens.

Dekorativ aufgeschnittener Ibérico-Schinken sollte ein Muster ergeben.
Dekorativ aufgeschnittener Ibérico-Schinken sollte ein Muster ergeben. Foto: Torsten Habermann

Das macht den Iberischen Eichelschinken so besonders

Cortadores de Jamon kennen zwar alle spanischen Schinkensorten, beschäftigen sich aber am liebsten mit den höchsten Qualitätsstufen des Ibérico-Schinkens. Dieser wird von Ibérico-Schweinen gewonnen, den einheimischen Schweinerassen, die im spanischen Südwesten der Iberischen Halbinsel aufgezogen werden. Die Tiere sind meist schwarz, es gibt aber auch helle Arten, wie zum Beispiel die Unterart „Rubia“. Als eine der teuersten Rassen gelte momentan das „Manchado de Jabúgo“, sagt Spanien-Kenner Habermann, der seinen Landsleuten auch durch Vorträge die spanische Schinkenkultur näherbringt.

Wer schon einmal sortenreinen Ibérico-Schinken probiert hat, kennt den buttrig-nussigen Geschmack und die seidige Textur. Das Fleisch ist muskulös und von feinen Fettadern durchzogen. Aroma und Maserung entstehen durch die besondere Aufzucht der Schweine und die lange Reifezeit von mindestens 20 bis gelegentlich über 48 Monaten. Die reinrassigen Tiere werden in der Zeit von November bis März in Eichenwälder geführt, wo sie an manchen Tagen mehr als zehn Kilometer herumlaufen – auf der Suche nach Futter. Sie fressen täglich fast zwölf Kilogramm frische, teilweise süßliche Eicheln und vier Kilogramm Gräser und werden so von 90 auf 160 Kilogramm gemästet. Diese luxuriöse Mast erklärt auch den hohen Preis.

Hunderte Euro für einen Hinterlauf

Einen Serranoschinken, der von normalen Hausschweinen, in der Regel Duróc, mit profaner Getreidemischernährung gewonnen wird, kann man bereits für 40 Euro kaufen. Für einen Ibérico-Schinken mit Eichelmast und langer Reifung muss man jedoch mehrere hundert Euro bezahlen. In Spanien schenkt man sich die Keulen daher gerne zu Weihnachten oder lässt sie auf Hochzeiten als kulinarischen Hingucker aufschneiden, wie Torsten Habermann erzählt, der auch ausgebildeter Sommelier ist. Zum salzigen Umami-Geschmack des Schinkens empfiehlt er weiße und trockene Weine, zum Beispiel einen Fino oder Manzanilla Sherry oder einen trockenen Cava.

Buttrig-nussiger Geschmack und feine Fettmaserung kennzeichnen den sortenreinen Ibérico-Schinken.
Der buttrig-nussige Geschmack und die feine Fettmaserung kennzeichnen den sortenreinen Ibérico-Schinken.

Das sind die Klassifikationen des Ibérico-Schinkens

Um Betrug vorzubeugen, wurden die einzelnen Klassifikationen der Ibérico-Schinken mit verschiedenen Farben gekennzeichnet. Diese heben die Art der Aufzucht und Rasse der Schweine hervor.

  • Weiß: zu 50, 75 oder 100 Prozent Ibérisches Schwein mit normaler Getreidefütterung. (Jamon de cebo)
  • Grün: 50 bis 100 Prozent Ibérisches Schwein, das freien Auslauf hat und sich von Gräsern und Getreide ernährt. (Jamon de cebo de campo)
  • Rot: 50 bis 75 Prozent genetische Abstammung vom Ibérico-Schwein, und 25 bis 50 Prozent Abstammung vom Duróc-Schwein. Diese Tiere haben eine volle Eichelmast durchlaufen. (Jamon de bellota)
  • Schwarz: 100 Prozent Iberische Rasse mit Eichelmast. Diese Schinken sind in der Regel die Teuersten. (Jamon ibérico de bellota)

Was alle Schinken gemein haben: Die Keulen werden nach der Schlachtung mit echtem Meersalz eingerieben.

Cortador de Jamon Torsten Habermann erklärt das Schinkenschneiden.
Cortador de Jamon Torsten Habermann erklärt Autorin Claudia Scholz das Schinkenschneiden.

Übrigens: Den einzigen spanischen Cortador de Jamon, der in einem deutschen Supermarkt vor Publikum schneidet, können Gourmets im Düsseldorfer Feinkost-Kaufhaus Zurheide antreffen. Der gebürtige Katalane Aithor Ruiz praktiziert das Schinkenschneiden bereits seit seinem 16. Lebensjahr. Die Kunstwerke des „Maestro Jamónero“ kann man direkt an der hauseigenen Tapasbar mit einem Glas Cava probieren oder für den Verzehr zu Hause mitnehmen.

Der spanische Cortador de Jamon Aithor Ruiz beim Schinkenschneiden im Düsseldorfer Feinkostkaufhaus Zurheide.
Der spanische Cortador de Jamon Aithor Ruiz beim Schinkenschneiden im Düsseldorfer Feinkostkaufhaus Zurheide.
Die Werke von Schinkenschneider Aithor Ruiz gibt es auch zum Mitnehmen.
Die Werke von Schinkenschneider Aithor Ruiz gibt es auch zum Mitnehmen.
Standard