Genuss, Reise

Diese sächsischen Winzer sollte man kennen

In und um Dresden bauen experimentierfreudige Winzer ausdrucksstarke Weine an. Manche der Weinbauern sind Autodidakten, manche feinsinnige Romantiker, andere kreative Einzelgänger. Ihre Weingüter liegen in malerischen Orten an der Elbe.

Von den steilen Weinhängen in Radebeul reicht der Blick weit über das Elbtal. Barockschlösschen und rebenumrankte Fachwerkhäuschen schmiegen sich lieblich in die Landschaft. In der Villenstadt mit ihrem vergleichsweise milden Klima fühlt sich Sachsen manchmal wie Südeuropa an. Es gibt eine Paradies- und Nizzastraße und schon früher wurde der malerische Ort „Sächsisches Nizza“ genannt. Zum Teil jahrhundertealte Trockenmauern speichern die Wärme in den Weinbergen, die durch ihre Hanglage viel Sonne abbekommen. Und ermöglichen in dieser recht nördlichen Region Deutschlands den Weinanbau. Dieser erstreckt sich von Pillnitz elbabwärts über Radebeul und Meißen bis Diesbar-Seußlitz auf 45 Kilometern Länge.

Sachsen ist mit nur 500 Hektar bewirtschafteter Fläche eines der kleinsten deutschen Anbaugebiete. Doch bereits im Mittelalter wurden in der Region Trauben gekeltert. Die erste Weinbauschule Europas eröffnete 1811 in Meißen. Im 17. Jahrhundert umfasste das Weinanbaugebiet 6000 Hektar. Durch Kriege und Schädlingsbefall schrumpfte es bis zur Mitte des 20. Jahrhunderts auf 70 Hektar.

Radebeul: Jahrhundertealte Trockenmauern speichern die Wärme in den Weinbergen.
Radebeul: Jahrhundertealte Trockenmauern speichern die Wärme in den Weinbergen.

Kostspielige Ernte, geringe Erträge

Während es in der DDR nur staatlichen Weinbau gab, machen heute neben bekannten Größen wie dem Staatsweingut Schloss Wackerbarth vor allem einige unkonventionelle Winzer von sich reden. Sie experimentieren mit Rebsorten, ökologischem Anbau, pflegen verlassene Hänge und arbeiten daran, den Ruf Sachsens als Weinregion aufzubauen. Anders als in traditionellen Weingegenden wie Mosel oder Pfalz mit ihren alteingesessenen Winzerfamilien werden die meisten der zwei Dutzend Weingüter in Sachsen noch in der ersten Generation nach der Wende geführt. Zurücklehnen kann sich wegen der hohen Anfangsinvestitionen kaum einer.

Die Reben wachsen auf verwittertem Granit oder Sandstein und vorwiegend auf Terrassen an Steillagen. Sie müssen kostspielig per Hand gepflegt und geerntet werden. Auch lässt das schwierige Klima (wenig Niederschlag, Spätfröste, kalte Winter) geringere Erträge als in Süddeutschland zu. Sächsischer Wein ist daher eine Rarität und macht gerade einmal 0,3 Prozent der Weinerzeugung hierzulande aus. Weiße Burgunder und insbesondere Traminer von der Elbe zählen zu den teuersten deutschen Weinen.

In einem alten rebenbewachsenen Winzerhäuschen befindet sich das Weingut Drei Herren in Radebeul.
In einem alten rebenbewachsenen Winzerhäuschen befindet sich das Weingut Drei Herren in Radebeul.

Das sagt Sommelier Silvio Nietzsche zum sächsischen Wein

Wer wissen will, was das Besondere der sächsischen Weine ausmacht, fragt den bekannten Dresdner Sommelier Silvio Nitzsche von der Weinkulturbar in Dresden, die 2900 Weine auf der Karte hat – davon 300 aus der Region. „Sächsische Weine sind Weine auf den zweiten Schluck, sie wollen entdeckt werden“, sagt er. Aufgrund der Bodensituation und des Klimas (hohe Temperaturunterschiede zwischen Tag und Nacht in der Wachstumsperiode) seien sie leicht, frisch, filigran und entsprächen dem, was Weinkenner gerade an sogenannten Cool-Climate-Weinen schätzen, die in Regionen mit harten, eisigen Wintern und trockenen Sommern mit vielen Sonnenstunden gedeihen. Diese Weine sind nicht so wuchtig und alkohollastig wie jene aus warmen Gegenden.

„Hier entstehen lebendige, säurebetonte Rieslinge mit angenehmer Trinkfrische, die aber auch gut altern können.“ Nitzsche ist zudem überzeugt vom Potenzial Sachsens als Rotweingegend, was nicht jeder sofort vermuten würde: „Manchen Winzern gelingen kühle, klare, mineralische und puristische Spätburgunder, die eine eigene Interpretation großer französischer Burgunder sind.“ Dabei meint er vor allem die Spätburgunder des Radebeuler Winzers Karl Friedrich Aust, der eines der schönsten historischen Weingüter in Radebeul bewirtschaftet.

Die historische Weingutsanlage aus dem 17. Jahrhundert beherbergt heute das Weingut von Karl Friedrich Aust in Radebeul bei Dresden.
Die historische Weingutsanlage aus dem 17. Jahrhundert beherbergt heute das Weingut von Karl Friedrich Aust in Radebeul bei Dresden.

Weingut Karl Friedrich Aust

Karl Friedrich Aust ist gelernter Steinmetz und entstammt einer sächsischen Hobbywinzerfamilie. „Meine erste Terrasse, die ich bereits als kleiner Junge bewirtschaften konnte, besaß 73 Rebstöcke der Sorte Müller-Thurgau“, erzählt der Autodidakt. 2002 machte er die private Leidenschaft zum Beruf und gründete sein Weingut. Die historische Gutsanlage aus dem 17. Jahrhundert renovierte er aufwändig. Mittlerweile gehören ein Restaurant und ein Hofladen dazu. „Wir wollen ein Gesamterlebnis bieten“, sagt der Winzer, der Hoffeste veranstaltet und im Sommer Wanderer in seinem großen lauschigen Garten mit Zwiebelkuchen und Rosé begrüßt.

Hat sich seine kindliche Begeisterung für sächsische Reben bewahrt: der Winzer Karl Friedrich Aust.
Hat sich seine kindliche Begeisterung für sächsische Reben bewahrt: der Winzer Karl Friedrich Aust.

Die Glücksgöttin Fortuna ziert das Haus als Wetterfahne und heute auch das Etikett der Flaschen. Das Gut umfasst über sechs Hektar Rebflächen in den besten Lagen Radebeuls, in die Aust schon viel Geld und Arbeit gesteckt hat. „Das ist meine Heimat. 30 Prozent dessen, was wir Winzer hier tun, ist Regionalförderung, das ist Erhalt der Kulturlandschaft.“ Direkt hinter dem Weingut kann man durch die Rebflächen der sächsischen Spitzenlage Radebeuler Goldener Wagen spazieren. Mitten in den Weinberg hat sich Aust eine kleine Laube gebaut, in die er sich manchmal mit einem Glas Wein zurückzieht. Im unteren Teil wachsen die Trauben in Flachlage, dahinter beginnen die Steilterrassen mit markanten Trockenmauern.

Weißburgunder, Goldriesling, Genussmensch: Weine von Winzer Karl Friedrich Aust.
Weißburgunder, Goldriesling, Genussmensch: Weine von Winzer Karl Friedrich Aust.

Aust baut zum Beispiel Goldriesling an, was nicht nur schön klingt, sondern auch eine sächsische Weißweinrarität ist. Ein heller, gelb leuchtender, leicht würziger Wein mit kräftiger Säure. Viele Kenner reisen aber auch wegen des Austschen Spätburgunders an. Er ist weich, hat ein dezentes Holzaroma und einen vergleichsweise geringen Alkoholgehalt. Der Winzer baut nur eine Sorte Rotwein an und lässt ihn in französischen Weinfässern reifen.

Weingut Martin Schwarz

Schwarz ist einer von etwa 40 Haupterwerbswinzern, die es in Sachsen gibt und über Umwege zum Wein gekommen. Interessanter als das Elektrotechnikstudium fand der Hesse nämlich Rotweine. Nach dem abgebrochenen ersten Studium wurde er Weinbauingenieur an der Fachhochschule für Weinbau in Geisenheim und machte dann ein Praktikum beim Weingut Dr. Heger in Baden-Württemberg. 1996 kam der gebürtige Kasselaner nach Meißen, wo er mit dem Prinzen Georg zur Lippe das Weingut Schloss Proschwitz aufbaute.

Weinberg mit Blick auf Schloss und Kirche von Meißen
Weinberg mit Blick auf Schloss und Kirche von Meißen.

Vor 15 Jahren begann Schwarz Weinberge selbst zu bewirtschaften und zählt heute zu den besten Winzern der Region. Überregional und in der Spitzengastronomie bekannt ist er für seine Cuvées. 14 verschiedene Weinsorten baut er auf zweieinhalb Hektar an. Das dürfte in Deutschland einmalig sein. Von Milliardär Karl-Erivan Haub von der Unternehmensgruppe Tengelmann hat er den Weinberg am Berghaus Neufriedstein in Radebeul gepachtet. Dort hat Schwarz als Experiment auch Nebbiolo angepflanzt, eine Rebsorte, die höchste Ansprüche an Standort und Klima stellt. Im Piemont steht sie für Rotweine von Weltklasse.

Nebbiolo-Pflanzen warten bei Winzer Martin Schwarz in Meißen auf ihre Pflanzung im benachbarten Weinberg.
Nebbiolo-Pflanzen warten bei Winzer Martin Schwarz in Meißen auf ihre Pflanzung im benachbarten Weinberg.

Weingut Klaus Zimmerling

Im Dresdner Stadtteil Pillnitz hat sich der Autodidakt Klaus Zimmerling am östlichsten Zipfel des Anbaugebiets den Ruf erarbeitet, den besten Riesling zu machen. Zimmerling verdiente seinen Lebensunterhalt als Maschinenbauer, bis er 1992 am „Königlichen Weinberg“ Reben mit perfekter Südlage erwarb. Früher gehörte der Weinhang zum nahe gelegenen Schloss Pillnitz, einst Lustschloss und Sommerresidenz des sächsischen Königshauses. Von dort reicht der Blick bis in die Sächsische Schweiz. „Unsere Rieslingreben sitzen hier wie im Amphitheater“, sagt der gebürtige Leipziger. Bei ihm gedeihen auch Grau- und Weißburgunder, Kerner, Gewürztraminer und Traminer auf dem verwitterten Granitboden – ohne Herbizide und synthetische Pestizide.

Zu DDR-Zeiten mangelte es an spannenden Weinen, deswegen wollte er selbst versuchen, ob es auch anders geht. „Ich bin sehr experimentierfreudig. Zehn verschiedene Weißweinrebsorten bauen wir hier auf vier Hektar an“, sagt Zimmerling und fügt an: „Das ist eigentlich völlig verrückt, macht aber Spaß.“ Vor Kurzem hat er einen Versuchshang mit Rotem Riesling angelegt, einer alten einheimischen Rebsorte, die nur wenige Winzer in Hessen und Sachsen wiederentdeckt haben.

Kreativer Perfektionist: Winzer Klaus Zimmerling im Königlichen Weinberg in Pillnitz.
Kreativer Perfektionist: Winzer Klaus Zimmerling im Königlichen Weinberg in Pillnitz.

Seine Trauben lässt Zimmerling meist länger stehen als andere Winzer, manchmal bis in den November hinein. Es brauche Geduld und Risikobereitschaft, um charaktervolle und unverwechselbare Weine zu machen. Die extremen Bedingungen bei Anbau und Klima seien für Winzer in Sachsen Herausforderung und Chance zugleich, sagt Zimmerling, der keinerlei Weinlehrbücher gelesen hat. Die Erträge aus dem Weinberg sind verglichen mit anderen Weingegenden Deutschlands gering. Gerade mal 30 000 Flaschen pro Jahr produziert der Winzer und diese sind schnell vor Ort vergriffen. „Wer einfach Geld verdienen will, macht etwas anderes“, sagt er. Außer bei Kennern sind seine Weine – wie auch die vieler seiner Winzerkollegen – außerhalb Sachsens so gut wie unbekannt, da sie nur selten die Region verlassen. Ganz anders die lebensgroßen Skulpturen seiner Frau, der Künstlerin Malgorzata Chodakowska: die Bronzefiguren verkaufen sich mittlerweile bis nach China. Sie zieren zudem die Etiketten jedes Jahrgangs und das Weingut, das sich mit seinem großen Sandsteintor an den pyramidenförmigen Weinberg schmiegt.

Skulpturen der Künstlerin Malgorzata Chodakowska zieren das Weingut von Klaus Zimmerling.
Skulpturen der Künstlerin Malgorzata Chodakowska zieren das Weingut von Klaus Zimmerling.

Die Lust an kunstvoller Gestaltung, die Zimmerling und seine Frau verbindet, merkt man der verspielten Opulenz des Gutes an. An warmen Tagen umgibt den Ort ein mediterranes Flair. In den Sommermonaten können sich Besucher mit einem Glas Wein in die elegante Pergola am Rande der Reben setzen und Käse oder andere kleine Leckereien verspeisen. Derzeit entsteht neben dem eigentlichen Weinkeller und Verkaufsgebäude eine große Vinothek für Weinproben.

Zu den Weingütern

  • Weingut Klaus Zimmerling, Bergweg 27, 01326 Dresden. Weinverkauf Dienstag bis Samstag  11 – 16 Uhr. www.weingut-zimmerling.de
  • Weingut Karl Friedrich Aust, Weinbergstrasse 10, 01445 Radebeul. Gutsladen Montag bis Sonntag 11 – 18 Uhr. www.weingut-aust.de
  • Weinmanufaktur Mariaberg Martin Schwarz, Dresdner Straße 71, 01662 Meissen. Freitags und samstags 12 – 18 Uhr. www.schwarz-wein.de
Standard