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Langsames Fastfood: Schlange stehen für eine Suppe

Ramen-Fans in Europa müssen für ihr Mittagsmahl viel Zeit mitbringen. Egal ob in Paris oder Düsseldorf: Gourmets warten nirgendwo länger als vor japanischen Imbissstuben.

In Paris befindet sich nach London die größte japanische Gemeinschaft Europas. Wenig überraschend also, dass es in der französischen Metropole eine der reichsten Auswahlen an authentischen Ramen-und Udon-Lokalen gibt. Ramen ist eine japanische Nudelsuppe, benannt nach den gleichnamigen länglichen Nudeln aus Weizenmehl, die in der würzigen Brühe schwimmen. Diese gibt es in mehreren Varianten. Zu den Klassikern zählen die bräunlich-klare Shoyu-Ramen auf Basis von Sojasauce und die weißlich-trübe Tonkotsu-Ramen, die durch langes Auskochen von Schweineknochen hergestellt wird. Darauf werden Eierhälften, Frühlingszwiebeln, Algen und Fleisch- oder Fischstücke kunstvoll drapiert. Udon sind ebenfalls Weizennudeln, aber deutlich dicker und glitschiger.

Tempura Udon im Kunitoraya in Paris
Tempura Udon im Kunitoraya

Rund um die Rue Sainte Anne im 1. Pariser Arrondissement haben sich viele Ramen-Bars angesiedelt. Bar trifft es eher als Restaurant, denn nicht selten wird der Gast an schmale Holztresen gesetzt. Von denen blickt er hinaus durch die Fensterscheiben auf den Bürgersteig, wo die Schlange der Wartenden immer länger wird und von den Kellnern in verkehrs- und fußgängergerechte Bahnen gelenkt werden muss. Da man nicht reservieren kann, hat zwar jeder die gleichen Chancen auf einen der begehrten Plätze vor allem zur Mittagszeit, doch nur wer genügend Ausdauer mitbringt, kommt in den Genuss der dampfenden Suppen. Wartezeiten von einer Stunde und mehr sind bei den neusten und am besten bewerteten Lokalen Normalität. Währenddessen kann man den Streetstyle der hippen Einheimischen und trendbewussten Touristen bestaunen, die für kurze Zeit zu einer kleinen Gemeinschaft werden – alle geeint in dem Ziel, es hinein zu schaffen.

Essen an schlichten Holztischen: das Kunitoraya Udon Bistro in Paris
Essen an schlichten Holztischen: das Kunitoraya Udon Bistro

Die Bereitschaft zum Ausharren ist beim Kunitoraya besonders groß, das japanische Bistro hat es in alle erdenkbaren Empfehlungs-Listen und auch in den klassischen Restaurantführer Guide Michelin geschafft. Beim Warten vor dem Udon-Lokal sieht man schon von draußen die Köchinnen, die Garnelen putzen oder Nudeln kochen. Im Inneren herrscht geschäftstüchtige Emsigkeit, die im Kontrast zur meditativen Ruhe der wartenden Gäste auf dem Gehweg steht. Dampfende Schüsseln werden rasch zu den Hungrigen getragen. Hingucker ist die Tempura Udon mit hell frittierten Garnelen.

Im Kodawari Tsukij zwischen Kisten voller Meeresgetier.
Zwischen Kisten voller Meeresgetier: im Kodawari Tsukij

Ein paar Straßen weiter wurde das Ramen-Bistro Kodawari Tsukiji 2019 geöffnet. Im Inneren sitzen die Gäste zwischen eisgefüllten Kisten voller Krabben, Makrelen, Kugelfischen, Aalen und anderem Meeresgetier. Von der Decke hängen Tüten mit japanischen Aufschriften und die Kellner tragen weiße Gummistiefel. Aus Lautsprechern ertönt das Geschrei von Möwen und Marktschreiern. Die Einrichtung lässt die Atmosphäre eines japanischen Fischmarktes entstehen. Und nicht nur irgendeines: das Kodawari Tsukiji ist eine Hommage an den gleichnamigen Tokioter Markt. Aber der Fischgeruch fehlt – denn die Auslagen sind alle nur Attrappen, aber täuschend echt gestaltet.

Auslagen wie auf einem Tokioter Fischmarkt im Kodawari Tsukiji in Paris
Auslagen wie auf einem Tokioter Fischmarkt im Kodawari Tsukiji in Paris

Aus Wachs oder Plastik nachgebildete Gerichte und Lebensmittel gehören zur japanischen Kultur, in vielen Restaurants in Japan liegen unechte Speisen in den Vitrinen aus. Ein kleines folkloristisches Stück Japan mitten im gediegenen Paris. Eine Spezialität des Lokals ist die Fischbrühe, die Fische dafür kommen aus der Bretagne. Die Ramen aus gegrillter Dorade wird mit würzigem Ei, Chashu (geschmortem Schweinebauch) und Zwiebeln belegt.

Ramen aus ausgekochten Doraden von der bretonischen Küste im Kodawari Tsukiji.
Ramen aus ausgekochten Doraden von der bretonischen Küste im Kodawari Tsukiji.

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